ProTier lanciert gemeinsam mit der Fachstelle MUKA eine Kampagne zur Förderung der Mutter-Kalb-Haltung (muttergebundene Kälberaufzucht) in der Schweiz. Kälber werden in der Milchproduktion direkt nach der Geburt von den Müttern getrennt. Bei der Mutter-Kalb-Haltung hingegen dürfen die Kälber während mindestens drei bis zehn Monaten bei ihren Müttern aufwachsen und die gemeinsame Zeit geniessen. Dies ermöglicht ihnen einen natürlichen Start ins Leben und die Chance, ein starkes Immunsystem aufzubauen. Dabei steht nicht nur das Tierwohl, sondern auch die Gesundheit von uns Menschen und der Umwelt im Fokus. Ziel der Kampagne ist es, mit Ihrer Spende kostenlose Beratungen für Landwirt:innen zu fördern und eine Betriebsumstellung zu erleichtern.

Die Kampagne ist eine Zusammenarbeit mit der Fachstelle MUKA. Diese unterstützt seit 2021 Landwirt:innen bei der Umstellung auf muttergebundene Kälberaufzucht, indem sie Betriebe untereinander vernetzt und Fachwissen bereitstellt. Zusammen mit dem Tierschutzkompetenzzentrum Kompanima werden zudem Kurse und Workshops organisiert.

Ihre Spende

Die Umstellung zum MUKA Betrieb in der Milchproduktion ist sehr komplex und mit anspruchsvollen Herausforderungen verbunden. Deshalb sammelt ProTier mit dieser Kampagne Spenden, um Landwirt:innen einerseits kostenlose Beratungsgespräche anzubieten und sie anschliessend bei der Umstellung zu unterstützen.

Ihre Spende wird eingesetzt für:

Kostenlose Beratung für Landwirt:innen

Interessierte Landwirt:innen sollen langfristig kostenlose Umstellungsberatungen in Anspruch nehmen können (Betriebs-Check mit Informationen zu den individuellen Möglichkeiten und betrieblichen Anpassungen). Die Beratungen erfolgen nicht über ProTier direkt, sondern durch die Fachstelle MUKA.

Unterstützung für Stallumstellung

Ein finanzieller Unterstützungsbeitrag hilft Betrieben in der Umstellung zu MUKA für die dafür erforderlichen baulichen Massnahmen.


Probleme entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette 

Die Milchproduktion ist der wichtigste Bestandteil der Schweizer Landwirtschaft mit über 680’000 Kühen, die zusammen pro Jahr knapp 3,4 Millionen Liter Milch produzieren. Doch vielen ist die Problematik, die mit der Milchproduktion einhergeht, nicht bewusst. Kühe produzieren nur Milch, wenn sie ein Kalb gebären. Damit die Milchleistung hoch bleibt, gebärt eine Milchkuh ein Kalb pro Jahr. Das Kalb ist sozusagen ein Nebenprodukt der Milchproduktion. In der Milchviehhaltung werden diese Kälber direkt oder wenige Stunden nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und einzeln oder in Kälbergruppen gehalten sowie künstlich über Nuckel-Eimer oder Tränkeautomaten getränkt. 

Nur ungefähr ein Drittel dieser Kälber werden auf dem Geburtsbetrieb zu Milchkühen aufgezogen. Die Restlichen, darunter alle männlichen Kälber, werden im Alter von 21 Tagen aus Kostengründen auf einen Kälbermastbetrieb gebracht. Dort werden Kälber aus unterschiedlichen Milchbetrieben zusammen gemästet, bis sie das gewünschte Schlachtgewicht erreichen.

Ursachen der schlechten Kälbergesundheit 

Kälber, die in dieser Phase (Alter 21 Tage) den Betrieb wechseln sind sehr anfällig für verschiedene Krankheitserreger. Vor allem Atemwegs- und Magen-Darm-Erkrankungen kommen häufig vor. Dies lässt sich auf verschiedene Faktoren, die die Entwicklung des Immunsystems der Kälber beeinflussen können, zurückführen. Während den ersten 12 Wochen nach der Geburt - der wichtigsten Entwicklungsphase des Immunsystems - sind die Kälber durch den Betriebswechsel verschiedenen Stressfaktoren wie Transport, Trennungsschmerz oder fremden Keimen einer neuen Umgebung ausgesetzt und können dadurch stark geschwächt werden. Der Schutz durch das passive Immunsystem, den die Kälber durch die Erstmilch der Mutter (Kolostrum) in den ersten Stunden nach der Geburt erhalten haben, hat zum Zeitpunkt des Betriebswechsels bereits stark abgenommen. Das natürliche Absetzalter bei Rindern beträgt normalerweise 8-11 Monate.  

Um eine schwerverlaufende Erkrankung der Kälber nach dem Betriebswechsel zu vermeiden, wird auf den Mastbetrieben oftmals Antibiotika systematisch verabreicht, wobei der jährliche Antibiotikaverbrauch mit über 7 Tonnen in der Kälber- und Rindermast überdurchschnittlich hoch ist. Diese Vorgehensweise ist nicht nur für das Tierwohl problematisch, sondern auch für uns Menschen und die Umwelt im Hinblick auf die Bildung von Antibiotikaresistenzen.

Alternative Haltungsformen – die Muttergebundene Kälberaufzucht

Es gibt mittlerweile alternative Haltungsformen, die neue Wege aufzeigen, um die Kälbergesundheit zu verbessern und das Tierwohl zu steigern. Die Muttergebundene Kälberaufzucht oder Mutter-Kalb-Haltung (kurz MUKA) ist die natürlichste Haltungsform in der Milchproduktion, bei welcher die neugeborenen Kälber nicht direkt von ihrer Mutter getrennt werden. Alle Kälber (unabhängig von ihrer Nutzungsform) bleiben mindestens drei Monate oder länger bei ihren Müttern und können so die notwendige Milch direkt vom Euter aufnehmen und eine natürliche Bindung zur Mutter aufbauen.  

Dadurch kann das Kalb nicht nur seinen natürlichen Bedürfnissen nachkommen, sondern es erhält auch genügend Zeit, damit sich das Immunsystem ohne Einfluss von weiteren Stressfaktoren entwickeln kann. Nach etwa 12 Wochen hat das Kalb in der Regel genügend eigene Antikörper entwickelt, um Krankheitserreger selbständig abwehren zu können.

Herausforderungen neuer Ansätze 

In der Schweiz gibt es bis anhin nur eine geringe Anzahl an MUKA-Höfen. Dies lässt sich vor allem auf die Wirtschaftlichkeit der Mutter-Kalb-Haltung zurückführen. Milchproduzent:innen sind darauf angewiesen, möglichst viele Liter Milch zu verkaufen. Da das Kalb bei der Mutter trinkt, ist die noch zum Verkauf stehende Milchmenge geringer. Je länger also ein Kalb bei der Mutter bleibt, desto höher wird die finanzielle Einbusse. Diese kann finanziell nicht ausgeglichen werden, da die Landwirt:innen bis anhin für diese Haltungsform nicht entschädigt werden.  

Hinzu kommt, dass mit steigendem Alter auch der Platzbedarf der Tiere zunimmt. Das führt dazu, dass bei der Mutter-Kalb-Haltung meist bauliche Massnahmen notwendig werden, die hohe Kosten verursachen. 

Wieso ist eine Umstellung auf Mutter-Kalb-Haltung in der Milchproduktion sinnvoll?

Die Mutter-Kalb-Haltung dient dem Tierwohl und soll die Kälbergesundheit in der Milchproduktion fördern. Durch das längere Zusammensein der Kälber mit ihren Mutterkühen kann der Antibiotikaverbrauch reduziert werden, weil das Kalb ab Geburt mit wichtigen Antikörpern versorgt wird und seine natürlichen Bedürfnisse ausleben darf. Dies kommt nicht nur dem Tier zugute, sondern auch Menschen und der Umwelt.

Für das Tierwohl

Das Wohlbefinden der Kuh wird erhöht – denn diese Haltungsform entspricht der Natur von Kuh und Kalb.

Die Mutter-Kalb-Haltung ermöglicht neugeborenen Kälbern, mindestens drei Monate oder länger bei ihren Müttern zu bleiben, wodurch sie natürliche Bindungen aufbauen und die notwendige Milch direkt vom Euter aufnehmen können. Dies fördert ein natürliches Sozialverhalten und erfüllt eine störungsfreie Entwicklung des Immunsystems. Nach etwa 12 Wochen verfügen die Kälbchen in der Regel über ausreichend eigene Antikörper, um Krankheitserreger selbstständig abwehren zu können. Das bedeutet, dass Antibiotika nur noch bei Bedarf eingesetzt werden muss.

Für unsere Gesundheit

Durch die muttergebundene Kälberaufzucht kann der Antibiotikaeinsatz reduziert werden, was sowohl Tier, Mensch und der Umwelt zugutekommt. Antibiotika soll nur in Notfällen eingesetzt und nicht zum Routinemedikament werden.

Der hohe Antibiotikaverbrauch ist problematisch, da mit den Ausscheidungen vom Tier grosse Mengen Antibiotikarückstände in die Umwelt gelangen - aber auch über Rohmilch und Fleisch gelangen diese in die menschliche Ernährung. Diese Praxis trägt somit dazu bei, dass Antibiotika immer häufiger gegen schwere Erkrankungen bei Mensch und Tier nicht mehr wirksam sind, weil sich leicht resistente Krankheitskeime gebildet haben. Ein genereller Verzicht auf Antibiotika ist aber auch in artgerechten Haltungssystemen nicht realistisch. Es sollte nur bei einem tatsächlichen Bedarf eingesetzt werden.

Für die Umwelt

Antibiotika sind wichtige Medikamente im Kampf gegen bakterielle Erkrankungen. Jedoch können Bakterien Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe entwickeln, vor allem wenn sie häufig und nicht in der effektiven Dosis Antibiotika ausgesetzt sind. Heute gelangen viele Medikamente und/oder deren Rückstände in die Umwelt, u.a. auch über die Nutztierhaltung. Die den Nutztieren verabreichten antimikrobiellen Wirkstoffe werden letztlich vom Tierkörper wieder ausgeschieden und gelangen so in die Gülle, welche wiederum auf den Feldern verteilt wird. Dies ist schädlich für die Natur und führt zum Rückgang der Artenvielfalt.

«FÜR MICH IST DIE MUKA HALTUNG EINE HERZENSANGELEGENHEIT. DIE SCHÖNEN MOMENTE, DIE WIR MIT DEN KÄLBERN UND IHREN MÜTTERN ERLEBEN DÜRFEN, BESTÄTIGEN MIR TÄGLICH, DASS ES FÜR UNSEREN BETRIEB DIE RICHTIGE ENTSCHEIDUNG WAR.»  Lukas Jost, MUKA-Hof Jost


Was hat MUKA mit Tierschutz zu tun?

ProTier setzt sich seit 75 Jahren für einen gerechten und ethisch vertretbaren Umgang mit Tieren ein. Wir setzen uns ein für die Verbesserung und die nachhaltige Umsetzung des Tierwohls in der Praxis und kämpfen gegen Missstände im Umgang mit Tieren und gegen Tierleid. Wir engagieren uns aber auch für artgerechte Lebens- und Haltungsbedingungen für Tiere und ihre Respektierung und Achtung als empfindsame, leidensfähige Lebewesen.

MUKA ist nicht die Endlösung

Wir wünschen uns, dass die Kälber so lange bei ihrer Mutter bleiben können, wie es die Natur vorsieht und dass keine anschliessende Schlachtung stattfindet. Gerade auch aus diesem Grund unterstützen wir Lebens- und Gnadenhöfe. Auf Lebens- oder Gnadenhöfen dürfen sogenannte Nutztiere entsprechend ihren natürlichen Bedürfnissen leben und müssen keinen Nutzen oder Zweck mehr erfüllen - bis zu ihrem natürlichen Lebensende. 

MUKA ist nicht die Endlösung, jedoch ist die Mutter-Kalb-Haltung ein mögliches System der Milchproduktion, welches einen Beitrag für eine verbesserte Kälbergesundheit und einem daraus resultierenden reduzierten Antibiotikaeinsatz leisten kann. Dies kommt nicht nur dem Tier zugute, sondern auch der Umwelt und den Menschen. Wir sehen die muttergebundene Kälberaufzucht als Fortschritt gegenüber anderen Haltungsformen der Milchproduktion. 

Uns ist bewusst, dass die Milchproduktion mit einer Nutzung der Tiere verbunden ist. Insbesondere die männlichen Kälber und die “alten” Milchkühe landen in der Fleischproduktion. Um eine Milchproduktion ohne Schlachtung zu ermöglichen, gibt es tolle Projekte wie z.B. durch Cowpassion geförderte Mutter-Kalb-Haltungen mit Lebenshof. 

Vegane Ernährung

Wir sind für eine Ernährung mit pflanzlichen Alternativen und einen möglichst geringen Milchkonsum. Denn eine vegane Ernährung fördert nicht nur das Tierwohl, sondern schont auch die Umwelt. Wer nicht auf den Konsum von Milchprodukten verzichten möchte, empfehlen wir zumindest Produkte aus MUKA-Haltung zu kaufen, wie z.B. der MUKA-Käse von Cowpassion.

Ist die spätere Trennung nicht viel schlimmer?

Die natürliche Entwöhnung von Mutter und Kalb findet zwischen 8 bis 11 Monaten statt. Männliche Kälber benötigen etwas mehr Zeit und entwöhnen sich mit ca. 10 Monaten, weibliche Kälbchen mit ca. 8 Monaten unter natürlichen Bedingungen. Der Bindungsaufbau zwischen Mutter und Kalb beginnt unmittelbar nach der Geburt. Gemäss wissenschaftlichen Studien ist eine Trennung von Mutter und Kalb nach wenigen Stunden oder einigen Tagen mit ausgeprägtem Stressverhalten («Trennungsschmerz») verbunden.  

Damit die Trennung bei der Mutter-Kalb-Haltung nach 3 Monaten oder länger möglichst stressfrei stattfinden kann, muss unbedingt die richtige Vorgehensweise angewendet werden. Das bedeutet, es darf keine abrupte Trennung stattfinden. Den Tieren muss genügend Zeit eingeräumt werden über mehrere Wochen mit einer stufenweisen Entwöhnung. Hierbei sollen die Zeiten der natürlichen Entwöhnung so gut wie möglich berücksichtigt werden. Auch darf das Absetzen der Milch nicht gleichzeitig stattfinden wie die Trennung von der Mutterkuh. 

Eine Trennung nach drei oder mehr Monaten fällt der Kuh leichter, da dies auch eher dem natürlichen Verhalten von Kuh und Kalb entspricht.


Sie sind Landwirt:in und interessiert?

Sie sind Landwirt:in und an einer kostenlosen Beratung oder Unterstützung für die Stallumstellung interessiert? Bitte nehmen Sie direkt Kontakt mit der Fachstelle MUKA auf.