Worum geht es?

Die Initiative gegen Massentierhaltung fordert eine Selbstverständlichkeit: Die in der Verfassung verankerte Würde des Tieres soll endlich auch in der landwirtschaftlichen Tierhaltung respektiert werden. Wie die meisten Schweizer Landwirtschaftsbetriebe tagtäglich beweisen, ist eine ressourcenschonende und tierfreundliche Produktion möglich. Ein Grossteil der Tiere fristet ihr kurzes Leben jedoch in grossen, fabrikähnlichen Mastbetrieben.

“Das Bild der idyllischen Tierhaltung, in der Kühe auf der Weide stehen und Hühner im Morast picken, entspricht leider selten der Realität”, so Initiantin der Massentierhaltungsinitiative Meret Schneider, Co-Geschäftsleiterin von Sentience Politics. “Viele sogenannte Nutztiere sehen in ihrem Leben kein Tageslicht, eine Pflicht, den Boden ganz einzustreuen, existiert ebenfalls nicht. Man stelle sich die Empörung vor, wenn Hunde wie Schweine gehalten würden - und dies, obwohl Schweine Hunden kognitiv ebenbürtig sind und genauso Bewegungsdrang und Spieltrieb haben.” Allein das Vergasen männlicher Küken in der Eierindustrie (Millionen pro Jahr) beweist, dass Massentierhaltung leider auch in der Schweiz traurige Realität ist. Diesen Missstand will die Initiative beheben. Kein Tier soll unter solchen Bedingungen sein kurzes Leben verbringen müssen.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass hierzulande die Haltungsbedingungen für Nutztiere gut sind, konnte man in den letzten 20 Jahren beobachten, wie die Tierbestände um über das Doppelte anstiegen, während die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe kontinuierlich schrumpft. Massentierhaltung ist - vor den Augen der Öffentlichkeit gut verborgen - längst auch bei uns angekommen.

Argumente der Initianten¹

Umwelt

Die Massentierhaltung nutzt die natürlichen Ressourcen der Erde sehr ineffizient und verschmutzt Wasser und Atmosphäre. Die immensen Treibhausgasemissionen und die Rodung riesiger Waldflächen sind für den Klimawandel mitverantwortlich.

Treibhausgasemissionen
Die Welternährungsorganisation der UNO (Food and Agriculture Organisation, FAO) schätzt, dass die Massentierhaltung für 14,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Dies entspricht ungefähr den Gesamtemissionen des weltweiten Verkehrs. Das Treibhausgas Methan, das primär durch den Verdauungsprozess von Wiederkäuern wie Kühen, Ziegen und Schafen verursacht wird, ist dabei von besonderer Bedeutung. Einerseits verursacht es fast die Hälfte der Treibhausgasemissionen, die aus der Massentierhaltung resultieren. Andererseits ist seine erderwärmende Wirkung 25-mal stärker als diejenige von Kohlendioxid.

Wasserverschmutzung
Die Überdüngung mit phosphorhaltigen Düngemitteln führte in verschiedenen Schweizer Seen zu einer starken Algenbildung und infolgedessen zum Tod vieler Fische aufgrund Sauerstoffmangels. Zudem stammen die Hälfte aller Antibiotikarückstände und 37 % der giftigen Schwermetalle aus der Nutztierhaltung. Mehr als ein Drittel der Pestizide, die im Wasserhaushalt enden, kommen aus der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung.

Ressourcenineffizienz: Boden
Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche, die für die Produktion einer Einheit Fleischprotein benötigt wird, ist 6-17-mal grösser als die Fläche für die Gewinnung einer Einheit Sojaprotein. Die Verfütterung von pflanzlichen Proteinen an Tiere zur Herstellung tierischer Produkte ist extrem ineffizient. Rund 70 % des gerodeten Regenwaldes im Gebiet des Amazonas werden aufgrund der Viehhaltung abgeholzt. Ein grosser Teil der übrigen 30 % dient primär dem Anbau von Futtermitteln. Auch das in der Schweiz als Kraftfutter verabreichte Soja stammt zum grössten Teil aus dem Ausland. Insgesamt wird fast ein Drittel der Erdoberfläche für die Nutztierhaltung gebraucht.

Ressourcenineffizienz: Wasser
Die Produktion tierischer Produkte ist erheblich wasserintensiver als die Herstellung pflanzlicher Nahrungsmittel. Für die Produktion von 1 kg Rindfleisch werden im globalen Durchschnitt mehr als 15’000 l Wasser benötigt. Das entspricht fast 100 Badewannen. In niederschlagsarmen Regionen wird die Wasserknappheit durch die Produktion von Fleisch und Futtermitteln signifikant verschärft. Die Schweiz importiert pro Jahr rund eine Million Futtermittel und verschärft damit indirekt die Wasserknappheit in Entwicklungsländern.

Ressourcenineffizienz und Weltarmut
Die Ressourcenineffizienz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung ist nicht nur mit Blick auf den Klimawandel problematisch, sondern verursacht auch sozioökonomische Probleme, namentlich in den Bereichen Wasser- und Ernährungssicherheit. Als Folge davon verteuern sich die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel. Der grossflächige Anbau von Futterpflanzen führt zudem zu einer Verdrängung kleinbäuerlicher Landwirtschaftsbetriebe. Diese Probleme scheinen besonders gravierend angesichts der weltweit nahezu 800 Mio. unterernährten Menschen, die fast ausschliesslich in sogenannten Entwicklungsregionen leben.

Versorgungssicherheit der Schweiz
Die Berechnung des Selbstversorgungsgrades der Schweiz durch das Bundesamt für Statistik unterschlägt die enormen Futtermittelimporte der Schweiz. Der ausgewiesene Selbstversorgungsgrad reduziert sich ohne die importierten Futtermittel um fast 10 %, von 58 % auf 50 %. Die Herstellung der 430’000 t Eiweissfuttermittel, die jährlich in die Schweiz importiert werden, beansprucht im Ausland eine Anbaufläche, die fast dem gesamten Schweizer Ackerland entspricht (250’000 ha bzw. 270’000 ha). Die Reduktion des Konsums tierischer Produkte kann die Versorgungssicherheit der Schweizer Landwirtschaft damit unmittelbar verbessern.

Tierleid

Die Massentierhaltung verursacht immenses Tierleid. Es ist heute anerkannt, dass Tiere empfindungsfähige Wesen sind. In der Massentierhaltung werden sie in grossen Gruppen auf engem Raum gehalten und ihre grundlegendsten Bedürfnisse werden missachtet.

Der Verbrauch von tierischen Nahrungsmitteln hat in der Schweiz seit der Jahrtausendwende um etwa 60 % zugenommen. Um die Nachfrage zu decken, ist in derselben Periode (2000 – 2013) der Bestand sogenannter "Nutztiere" (Hühner, Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde) um fast die Hälfte gestiegen. Gleichzeitig ist die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe von ca. 70’000 auf etwa 55’000 zurückgegangen. Dadurch werden heute pro Betrieb vielmehr Tiere gehalten als früher, was sich tendenziell zu Ungunsten des Tierwohls auswirkt.

 

Bestandsgrössen:

Aktuell: Bis zu 18’000 Legehennen, bis zu 27’000 Masthühner, 17 Hühner pro Quadratmeter
Forderung: Starke Reduktion auf max. 2000 Tiere (KAG-Freiland-Standard)

Aktuell: 10 je 100 kg schwere Mastschweine auf der Grösse eines Autoparkplatzes. Kastenstände während der “Deckzeit” für 10 Tage immer noch erlaubt. Der "Auslauf" ist meist nichts anderes als eine oft glitschige, verdreckte Betonfläche mit Gittern rund herum und einer Eisenkette als Beschäftigung. Künstliche Besamung mit Katheter.
Forderung: Komplette Abschaffung der Kastenstände; freie Bewegungsmöglichkeiten auf der Wiese und im Schlamm; Einstreu; natürliche Besamung.

Aktuell: Anbindehaltung von Milchkühen generell gestattet
Forderung: Anbindehaltung von Milchkühen nur in Kombination mit "RAUS-Programm" erlaubt
 

Im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung herrscht die Tendenz zu möglichst effizienter und intensiver Produktion, mit dem Ziel der Ertragssteigerung. Diese Ertragssteigerung lässt sich aber nicht nur auf eine stärker konzentrierte und spezialisierte Tierhaltung zurückführen. Der wichtigste Faktor der äusserst produktiven industriellen landwirtschaftlichen Nutztierhaltung dürfte die Betrachtung des Tieres als zu optimierende ökonomische Ressource sein. Folgende Zustände sind in der Schweiz sowohl legal als auch üblich:

  • Die männlichen Nachfahren von Hühnern, die zur Eierproduktion gezüchtet wurden, werden gar nicht erst aufgezogen, sondern als Eintagsküken millionenfach maschinell getötet. Rund 2 Millionen Tiere erleiden dieses Schicksal jährlich in der Schweiz.
     
  • Masthühner dürfen nur etwa 6 Wochen leben, dann sind sie schlachtreif – oft so schwer, dass ihre Beine sie kaum mehr tragen.
     
  • Legehennen werden in der Regel nach etwa 15 % ihrer natürlichen Lebenserwartung spätestens im Alter von 18 Monaten “ausgestallt”, d.h. getötet, weil ihre Legeleistung nicht mehr den betrieblichen Anforderungen entspricht.
     
  • Ähnlich wurden Milchkühe seit den 1960er-Jahren derart hochgezüchtet, dass sie heute nicht mehr 4’000, sondern etwa 8'000 Liter, in hochintensiver Zucht sogar 10'000 Liter Milch pro Jahr geben. Zweinutzungsrassen, die zur Milch- und Fleischproduktion taugen, stellen eine Minderheit dar.

Gesundheit

Der Konsum von zu vielen tierischen Nahrungsmitteln kann ungesund sein. Eine vorwiegend pflanzliche Ernährungsweise ist gesund und verringert die Gefahr, an gewissen Krankheiten (insb. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Übergewicht) zu erkranken.

Im Zusammenhang mit tierischen Nahrungsmitteln sind besonders auch Gefahren, die aus dem Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung resultieren, relevant. Im Jahr 2014 wurden in der Schweizer Nutztierhaltung mehr als 48'000 kg Antibiotika verkauft. Multiresistente Keime sind unter Nutztieren entsprechend weit verbreitet. Da sich multiresistente Bakterien auch auf den Menschen übertragen, vermindert die hohe Antibiotikaabgabe an Tiere auch die Möglichkeiten, Menschen zukünftig erfolgreich mit Antibiotika zu behandeln. Jährlich sterben in der Europäischen Union schätzungsweise 25’000 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Keime. Die Schweiz liegt bezüglich der Anzahl resistenter Bakterienstämme etwa im europäischen Mittelfeld. Ein zusätzliches Problem der hohen Keimdichte in Massentierhaltungsbetrieben besteht bei der Ausbreitung von Zoonosen, wie der Vogelgrippe (H5N1) oder der Schweinegrippe (H1N1), sowie gerade aktuell COVID-19, das zwar nicht von Nutztieren stammt, durchaus aber durch gewisse Arten übertragen werden könnte.

Umsetzbarkeit¹

Massentierhaltung ist ein Phänomen, das in der Schweiz lange nicht üblich war. Laut Isopublic-Umfragen halten 87 % der Bevölkerung das Tierwohl in der Landwirtschaft für “wichtig” oder “sehr wichtig”, zwei Dritteln der Bevölkerung liegt “artgerechte Tierhaltung“ am Herzen. Was die Schweizer Bevölkerung an der Landwirtschaft schätzt, sind die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Gestaltung des Landschaftsbildes und die Pflege der Alpweiden, die sonst kaum sinnvoll genutzt werden können. All diese Leistungen würden durch die Initiative „Keine Massentierhaltung in der Schweiz“ nicht tangiert.

Wie wirkt sich die Initiative auf Kleinbauern und Alpbetriebe aus?
Kleinbauern und Alpbetriebe wären von den Änderungen nicht betroffen, da sie keine „Massentierhaltung“ betreiben. Betroffen wären nur die grossen industriellen “Fleischfabriken”.

Wie wird Massentierhaltung definiert?
Die Definition der Massentierhaltung erfolgt über die Gruppengrösse sowie die systematische Missachtung der Grundbedürfnisse der Tiere.

Wie sieht es mit Importbestimmungen für Tierprodukte aus?
Die Initiative soll völkerrechtskonform umgesetzt werden; der Bund erhält den dazu erforderlichen Spielraum. Importverbote sind dann WTO-konform, wenn die importierten Produkte der “öffentlichen Moral” eines Landes widersprechen. Die lange Tierschutztradition der Schweiz und die Annahme dieser Volksinitiative würden belegen, dass diese Bedingung erfüllt ist. Importbeschränkungen für Produkte aus Massentierhaltung sind deshalb völkerrechtskonform umsetzbar. Zur praktischen Umsetzung kann der Gesetzgeber auf bestehende ausländische Tierschutzstandards und -labels zurückgreifen.

Wird es eine Übergangsfrist geben?
Ja, da zahlreiche Tierhaltungsbetriebe umgebaut werden müssen, wird eine lange Übergangsfrist gewährt.

¹ Quelle : Komitee "Keine Massentierhaltung in der Schweiz"

So sieht es ProTier

Massentierhaltung missachtet die Würde des Tieres in höchstem Grad und dient nur dem menschlichen Profit. Den Preis dafür zahlen die Tiere, die Umwelt und die Gesundheit von uns allen.
Ein "Ja" sichert den Weg für längst überfällige Reformen in der schweizerischen Nutztierhaltung und lässt wieder Freiraum für kleinbäuerliche Betriebe, die in den letzten Jahren immer mehr verschwunden sind.

ProTier unterstützt die Initiative "Keine Massentierhaltung in der Schweiz", weil es Zeit ist, dass wir der Industrialisierung von Lebewesen einen Riegel schieben, und ruft alle stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger dazu auf, die Massentierhaltungsinitiative anzunehmen.

Mehr Informationen zur Initiative gegen Massentierhaltung

Webseite der Initianten: www.massentierhaltung.ch
Webseite Sentience Politics: www.sentience-politics.org
Material bestellen: https://massentierhaltung.ch/mitmachen/maerial-bestellen/