Argentinien verbietet Lachsfarmen

 

Von Martina Futterlieb

Als erstes Land weltweit verbietet Argentinien die industrielle Lachszucht in seinen Gewässern. Das Verbot betrifft zwar nur die Provinz Feuerland, doch diese Gewässer sind die einzigen in Argentinien, die die natürlichen Voraussetzungen für die Zucht von Lachsen erfüllen. Somit kommt die Entscheidung einem landesweiten Verbot gleich.

2018 hatte Argentinien ein Abkommen mit Norwegen zur Einrichtung von Lachszuchtanlagen im Beagle-Kanal unterschrieben. Der Kanal ist eine natürliche, 240 km lange Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Etwa zwei Drittel des Kanals stellen gleichzeitig die südliche Grenze zwischen dem argentinischen und dem chilenischen Teil von Feuerland dar. Ein Bündnis aus Umweltschützern, Vertretern lokaler Fischerfamilien und der Tourismus-branche hatte sich jahrelang für ein Verbot der industriellen Lachszucht eingesetzt. Nun, drei Jahre nach dem Abkommen, wurde vom Provinzparlament ein Verbot der Lachszucht einstimmig verabschiedet. "Mit diesem Gesetz schützen wir ganz Südpatagonien", sagte María Laura Colazo von Feuerlands Grüner Partei, "und das Verbot wird auch auf die chilenische Seite des Kanals ausstrahlen".

Auch im Nachbarland Chile regt sich seit Längerem Widerstand gegen die Lachszuchtindustrie und 2019 wurden nach öffentlichem Druck und Protesten der indigenen Gemeinschaft der Yagán bereits installierte Lachskäfige in Puerto Williams auf der chilenischen Seite des Beagle-Kanals wieder abgebaut. Chile ist nach Norwegen der zweitgrösste Lachsproduzent weltweit und produziert jährlich 900’000 Tonnen Lachs, der in die ganze Welt exportiert wird.

Der Hunger nach Lachs ist gross
Vor 60 Jahren noch ein Luxusprodukt, das den Reichen vorbehalten war, ist Lachs heute zum Billigprodukt geworden, das sich praktisch jede und jeder leisten kann. Diese Entwicklung machte vor allem die Einführung von Zuchtanlagen möglich, in denen Tausende Lachse gleichzeitig aufgezogen werden können. Im Jahr 2020 wurden weltweit 2’384’000 Tonnen Zuchtlachs produziert, während gleichzeitig die Wildlachsbestände drastisch sinken.

Lachse mögen kaltes, klares Wasser – somit sind nicht alle Gewässer dazu geeignet, Lachsfarmen zu errichten. Dort, wo die Bedingungen passen, reiht sich eine Farm an die nächste, wobei die Anlagen aus mehreren Käfignetzen bestehen, die je bis zu 500’000 Fische enthalten. Anfangs sind die Lachse noch klein, aber schon nach kurzer Zeit drängen sie sich in den Netzen, wie Sardinen in der Dose.

Massentierhaltung unter Wasser 
Wie auch die Massentierhaltung an Land bieten Fischzuchtfarmen durch die beengten Platzverhältnisse einen perfekten Nährboden für Krankheiten und Parasiten. Insbesondere die Seelaus richtet immer wieder grosse Schäden an. Dieser Kleinkrebs lebt auf der Haut der Fische und beisst kontinuierlich kleine Stückchen ab. Es entstehen grosse, klaffende Wunden, die normalerweise zum Tod der Fische führen. Nur durch immensen Einsatz von Antibiotika schaffen es die Zuchtbetriebe, dass die Lachse trotz dieser Wunden überleben. Gegen den Parasiten werden Pestizide und Insektizide eingesetzt, doch bis heute gibt es noch kein hundertprozentiges Gegenmittel.

Bakteriellen Krankheiten wird ebenfalls durch die prophylaktische Behandlung mit Antibiotika entgegengewirkt. Die Grenzwerte dafür sind von Land zu Land unterschiedlich. Laut Greenpeace werden Lachse in Chile mit der 700-fachen Antibiotika-Menge behandelt, verglichen mit ihren Artgenossen in Norwegen. Der giftige Cocktail aus Chemikalien und Antibiotika gelangt ungefiltert in die umliegenden Gewässer und schädigt auch alle anderen Organismen.

Ausserdem befinden sich viele Lachsfarmen aufgrund der klimatischen Bedingungen genau auf den Wanderrouten der Wildlachse. In den Farmen grassierende Krankheiten übertragen sich so auf die Wildlachse, die aber im Gegensatz zum Zuchtlachs nicht behandelt werden. Während die Zuchtlachse Medikamente bekommen, sterben die Wildlachse an den Viren und Parasiten. Norwegen war einmal das lachsreichste Land der Erde, mittlerweile gibt es nur noch 450’000 Wildlachse, dafür eine halbe Milliarde Zuchtlachse. 

Tote Zonen unter den Lachszuchtfarmen
Lachse sind eigentlich Raubfische. In Zuchtfarmen werden sie aber mittlerweile mit einer Mischung aus 80% Soja, Fischmehl und Fischöl gefüttert. Das Soja stammt meist aus grossen Plantagen in Südamerika, wo dafür grosse Flächen Regenwald abgeholzt werden. Fischmehl und -Öl stammen normalerweise aus Wildfang, somit tragen Aquakulturen sogar zur Überfischung der Meere bei, anstatt sie zu vermindern.

Durch diese unnatürliche Fütterung fehlt den Lachsen der natürliche Farbstoff Astaxanthin, der ihnen die charakteristische rötlich-rosa Farbe verleiht. Wildlachse nehmen Astaxanthin mit ihrer natürlichen Nahrung auf, die unter anderem aus kleinen Krebstierchen besteht. Zuchtlachse haben durch diesen Mangel nur gräulich blasses Fleisch, deshalb setzen die Lachsproduzenten dem Futter einen synthetischen Farbstoff zu, um den Lachs schön rosa zu färben.

Gefüttert werden die Lachse zwar maschinell und möglichst gut abgestimmt, trotzdem sinkt ein Teil des Futters auf den Grund. Dazu kommen die Fäkalien der Fische sowie die Reste der verendeten Tiere. Jeder fünfte Lachs stirbt in Aquakulturhaltung an den Folgen von Krankheiten, Infektionen oder Parasiten, bevor er sein «Schlachtgewicht» erreicht hat. Alle diese organischen Materialien sammeln sich unter den Käfigen. Durch den Verfaulungsprozess wird der Sauerstoff im Wasser verbraucht und es entsteht eine tote Breimasse, die den Meeresgrund überzieht und jegliches Leben unmöglich macht. Die Gewässer übersäuern und es kommt zu vermehrter Algenblüte. Je nach Strömung zieht sich dieses Phänomen auch kilometerweit die Küsten entlang. Die Leidtragenden sind die lokale Bevölkerung, der Tourismus und die lokale Fischerei.  

Tiere in Gefangenschaft versuchen immer ihren unangenehmen Bedingungen zu entkommen
Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen von Tausenden Zuchtlachsen. Diese haben aber ein verändertes Genmaterial im Vergleich zu ihren wilden Artgenossen, denn sie sind durch Zucht auf die Bedingungen in den Farmen angepasst und für schnelles Wachstum selektiert. Bei solchen Ausbrüchen vermischen und paaren sich die Zuchtlachse mit ihren wilden Verwandten und tragen verändertes Erbgut ein, das die Wildpopulation schwächt. Aquakulturen werden auch dort errichtet, wo der Lachs gar nicht heimisch ist. Entkommene Fische stören dann das natürliche Gleichgewicht, indem sie beispielsweise mit heimischen Arten um Futter konkurrieren.

Fische fühlen Schmerz und Stress
Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die belegen, dass Fische sowohl Schmerz als auch Stress empfinden. So konnte man beispielsweise nachweisen, dass Fische in einem Aquarium tagelang auf Nahrung verzichteten, da es diese nur in einem Bereich gab, in dem sie Stromschlägen ausgesetzt waren. Die Fische in den Farmen leiden enorm unter den schlechten Haltungsbedingungen, den Krankheiten und Parasiten, doch ihr stummes Leiden wird von niemandem wahrgenommen.

Immer wieder dokumentieren Undercover-Recherchen von Tierschützern katastrophale Zustände: Toxine und zu hohe Konzentrationen von Medikamenten und Antibiotika im Wasser sowie verletzte, kranke und deformierte Fische.

Muss das sein?
Mit unserem Kaufentscheid haben wir es in der Hand, etwas zu verändern. Jede Quittung ist ein Stimmzettel zugunsten oder gegen das Tierwohl und die Umwelt. Es gibt heute genügend Alternativen, um Lachs und andere Fische komplett oder zumindest grösstenteils vom Speiseplan zu streichen.

Wusstest Du...
  • …dass Aquakulturen die Überfischung der Meere sogar verstärken?
  • … dass Aquakulturen die Abholzung des Regenwalds vorantreiben?
  • … dass die Lachse durch ihre unnatürliche Fütterung kein rosa Fleisch mehr haben und Farbstoffe zugesetzt werden müssen, um die originale Farbe vorzutäuschen?
  • … dass Lachse Raubfische sind, aber in den Zuchtanlagen vorwiegend vegetarisch ernährt werden?
  • … dass Fische sensible Wesen sind mit komplexen Sozialstrukturen?
  • … dass die industrielle Lachszucht nur unter massivem Einsatz von Pestiziden, Insektiziden und Antibiotika möglich ist?

Nachhaltigen Fischkonsum gibt es nicht – nachhaltig ist nur, wenn man Fische leben lässt!