Der Overview-Effekt – Wir sind das Klima! – Gastbeitrag von Robert Rauschmeier

 

Robert Rauschmeier ist Umwelt- und Tierrechtsaktivist und lebt seit Jahren bewusst vegan. Er engagiert sich in der Tierrechtsorganisation «Animal Save Zurich» und geht regelmässig zu Mahnwachen vor den Schlachthäusern, um den Tieren seinen Respekt zu zollen, und um ihnen ein Gesicht und eine Stimme zu geben.

15. Dezember 2021

Es war im Jahr 1969. Die Apollo 11 durchbrach den Himmel und bahnte sich den Weg zum Mond. Zum ersten Mal betrat der Mensch einen anderen Himmelskörper. Die berühmten Worte des amerikanischen Astronauten Neil Armstrong fielen: «Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit.» Später auf dem Rückflug, als Armstrong die gesamte Erde vor sich sah, schauderte es ihn. Es war ein Gefühl der Ehrfurcht, ein tiefes Verstehen der Verbundenheit allen Lebens auf der Erde und ein neues Empfinden der Verantwortung für unsere Umwelt, das die Astronauten befiel. Dieses Phänomen ging als Overview-Effekt in die Geschichte ein.

Durch den plötzlichen Perspektivenwechsel der Astronauten, durch den Blick auf die gesamte Erde, nahmen sie diesen Planeten anders wahr. Ihr Blick veränderte sich.

Wir zählen also doppelt so viele Nutztiere wie Menschen
Auch der amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer verwendet in seinem Buch «Wir sind das Klima!» den Overview-Effekt. Er beschreibt die Erde als einen Planeten, der mittlerweile so stark von der Tierindustrie umgestaltet worden ist, dass man ihn als Nutztierplaneten bezeichnen muss: Schliesslich gilt über 60 Prozent der Biomasse den sogenannten Nutztieren, während nur noch rund 4 Prozent Wildtiere den Planeten besiedeln. Wir Menschen machen etwas mehr als 30 Prozent aus. Wir zählen also doppelt so viele Nutztiere wie Menschen.

Milliarden von Landtieren weltweit und Billionen Tiere, wenn die Fische eingerechnet werden, werden allein für unseren Genuss und unseren Konsum gezüchtet, gemästet und getötet. Diese Zahl ist unvorstellbar. Hinzu kommen die schrecklichen Haltungsbedingungen, die wir diesen Tieren für unsere Nahrung, unsere Mode, Kosmetik, Unterhaltung und Tierversuche antun.

Ein anderer Blick verändert unser Denken und Verhalten
Genau wie es bei den Astronauten damals geschah, als sie vom Mond aus auf die Erde blickten, benötigen wir als Gesellschaft einen Overview-Effekt auf die Tiere, einen anderen Blick.

Wir haben genügend gute Beispiele, wie das geht: Menschen, die ihren Blick und ihr Verhalten verändert haben und fortan vegan leben. Bauernhöfe, die zu Lebenshöfen wurden, wo Tiere ein möglichst selbstbestimmtes Dasein führen dürfen bis zu ihrem natürlichen Tod.

Eine andere Gesellschaft ist möglich. Klima- und Tierrechtsaktivistinnen und -aktivisten fordern mit ihren Parolen einen fundamentalen Systemwandel, eine gesellschaftliche Transformation: One Health. Die Gesundheit hängt von der Gesundheit anderer Tiere und von unserem Planeten ab und wirkt auf uns zurück.

Wir sind es den Tieren als Gesellschaft schuldig
Sie als Mitbürger, als Erdlinge anzuerkennen und somit den Speziesismus zu überwinden. Wir schulden ihnen Gerechtigkeit. Vielleicht machen Sie sich zu dieser Zeit vermehrt Gedanken über unsere tierischen Verwandten, über unseren Planeten und was wir unseren Nachkommen hinterlassen.