Aufzucht von jungen Fledermäusen

Datum: 22. July 2022
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Ab Juni, wenn die Fledermaus-Jungtiere geboren werden, herrscht Hochbetrieb in der Fledermaus-Notpflegestation der Stiftung Fledermausschutz. Katja Schönbächler berichtet über die spannende und intensive Zeit bei unserem Kompetenzpartner.

 

Frischgeboren sind sie nur etwa bienengross – die Jungtiere der Zwergfledermäuse, die im Sommer die häufigsten Findlinge sind, um die wir uns in der Notpflegestation kümmern. Auch andere Fledermausarten wie Weissrandfledermäuse, Wasser- und Bartfledermäuse ziehen ihren Nachwuchs in Siedlungsnähe auf und werden darum häufig von der Bevölkerung aufgefunden, wenn sie in Not geraten. Ein Fledermaus-Weibchen bringt meist nur ein einzelnes Jungtier, selten Zwillinge auf die Welt.

Wird ein Jungtier aufgefunden, verständigen viele das rund um die Uhr betreutes Fledermausschutz-Nottelefon (079 330 60 60), um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Im besten Fall kann das Jungtier direkt in sein Versteck zurückgesetzt oder bei gutem Wetter am Abend mit dem Muttertier erfolgreich vereint werden. Leider sind aber viele der kleinen Fledermäuse beim Fund bereits geschwächt oder verletzt, oder das Muttertier ist verstorben. Diese Tiere werden so schnell wie möglich in eine Fledermaus-Notpflegestation gebracht und fachgerecht von Hand aufgezogen. So fanden im letzten Jahr über 300 junge Fledermäuse den Weg zu uns in die Station.

 

 

Flugfähig innert kürzester Zeit

Zu Beginn nackt und blind, entwickeln sich die winzigen Geschöpfe innerhalb kurzer Zeit zu ausgewachsenen Fledermäusen, die nach 4-8 Wochen flugfähig sind und ihre Beute selbst erjagen müssen. Die Aufzucht dieser kleinen Wesen ist zeitintensiv und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Fledermaus-Jungtiere werden bei uns nie einzeln, sondern in einer Gruppe aufgezogen. Die sozialen Tiere fühlen sich in Gesellschaft mit anderen verwaisten Jungtieren bedeutend wohler und können sich gegenseitig besser warmhalten.

 

Anfangs benötigen unsere neugeborenen Schützlinge während des Tages alle 1-2 Stunden eine kleine Menge an spezieller Aufzuchtmilch, die vorsichtig mit winzigen Spritzenaufsätzen oder mithilfe von Pinseln verfüttert wird. Um die Verdauung anzuregen, brauchen die Jungtiere viel Wärme und regelmässige sanfte Bauchmassagen. Je grösser und älter die Tiere werden, desto grösser wird auch ihr Hunger. Kurz vor dem Flüggewerden, wenn die Milchzähne durch die bleibenden Zähne ersetzt werden, wird die Nahrung der handaufgezogenen Jungtiere langsam auf Insekten umgestellt. Das ist auch die Zeit, in der sie anfangen, ihre Muskeln zum Fliegen zu trainieren. Dabei strecken sie immer wieder ihre Flügel aus und flattern an Ort und Stelle. Diese Übungen sehen aus wie Liegestütze und werden viele Male am Tag wiederholt.

 

Intensives Flugtraining

Sobald die jungen Fledermäuse fliegen lernen, ist das tägliche Training in unseren Flugvolieren besonders wichtig. Wie dies aussieht, sehen sie im nachfolgenden Video. Der grosse Aufwand der Handaufzucht lohnt sich – im letzten Jahr konnten wir mehr als zwei Drittel der Jungtiere erfolgreich aufziehen.

 

Quelle: Tierwelt (YouTube)

Ganz besonders freuen wir uns in diesem Jahr auf die Möglichkeit, die Fledermaus-Jungtiere aus der Region in der neuen Soft-Release-Voliere freizulassen. Sobald die Pfleglinge flug- und jagdtüchtig sind, können sie in der Flugvoliere selbstbestimmt über das eingebaute Ausflugsloch in die Natur fliegen und bei Bedarf auch wieder zurückkommen.

Der «Soft-Release» wird bei der Freilassung von vielen Wildtieren erfolgreich angewendet, so auch bei einzelnen Fledermaus-Pflegestationen im Ausland. Mit der Soft-Release-Methode können wir unsere Pflege modernisieren und ein lang ersehntes Projekt umsetzen.

So hilft ProTier

Der Ausbau der Flug-Volieren inkl. Wärmebildkamera ist sehr kostenintensiv. ProTier hat sich dabei massgeblich an den Kosten der Wärmebildkamera beteiligt, sodass die Tiere stressfrei beobachtet werden können. Ein Engagement, das ohne unsere Gönner:innen nicht möglich wäre – Sie möchten mit uns weitere solch tolle Projekte unterstützen? Danke, dass Sie dies mit einer «ProTier hilft»-Spende tun. 

Dr. med. vet. Katja Schönbächler

Katja Schönbächler ist Tierärztin und die Leiterin der Fledermaus-Notpflegestation der Stiftung Fledermausschutz. Während ihres Doktorats im Tierpark Bern mit Fokus auf der Wiederansiedlung europäischer Sumpfschildkröten und ihrer Gesundheit konnte sie den Artenschutz an vorderster Front erleben und als Assistenztierärztin zahlreiche Erfahrungen mit Wildtieren sammeln. Als nebenberufliche, langjährige Rangerin im Natur-und Tierpark Goldau ist sie auch in der Umweltbildung zu Hause.