Fast 30 Jahre Herzblut fürs Tierwohl
Man würde meinen, die Schwestern Janina und Stefanie Sutter hätten auf ihrem Tierlignadenhof schon praktisch jedes mögliche tierische Schicksal gesehen. Und trotzdem gibt’s auf ihrem Hof im Aargau noch ständig ein erstes Mal.
Es war im Februar. TeleM1 berichtete: «Wegen kranker Besitzerin: Behörden müssen fast 100 Meerschweinchen neu platzieren.» Heute stromern 26 davon auf dem Tierlignadenhof herum. Weil sich Janina und Stefanie Sutter beim Aargauer Veterinäramt bereit erklärten, alle beschlagnahmten Meerschweinchen in ihre Obhut zu nehmen, die noch keinen Platz gefunden hatten. Noch am selben Tag richteten sie mit ihren Mitarbeitenden einen Stall ein, um die kleinen Fellbündel am nächsten Tag abzuholen und medizinisch versorgen zu lassen. «Dieses Beispiel zeigt so schön, wie unsere Familie hier manchmal über Nacht wächst», sagt Janina Sutter.
Zurzeit leben 190 Tiere auf dem Tierlignadenhof in Kaisten, dem Dorf am Hochrhein an der Grenze zu Deutschland. Die Zwillingsschwestern Janina und Stefanie Sutter (36) führen das Lebenswerk von Monica Spoerlé weiter, die 1996 hierhergezogen war – aus einer Notsituation heraus und eigentlich provisorisch. Aber sie blieb, baute den Tierlignadenhof auf und betrieb ihn jahrelang ausschliesslich mit Hilfe von Freiwilligen. Zu den Freiwilligen gehörten auch Janina und Stefanie. «Ich war 8, als ich zum ersten Mal hier war», erinnert sich Janina. Zu Besuch waren sie damals mit ihrer Nanny. Weil die Zwillingsschwestern den Hund der Nanny so liebten, meinte diese: Ich zeige euch einen Ort, an dem noch viel mehr Tiere leben. «Von da an fuhren wir jeden Mittwochnachmittag und bald auch samstags mit unseren Velos hierher und packten mit an.»
Oft verkannte Pionierinnenarbeit
Existenzängste, Angriffe wegen ihrer Haltung gegenüber Tieren, enorm anstrengende Aufklärungsarbeit: «Moni hatte einen anderen Kampf als wir heute», sagt Stefanie, «bei ihr ging es oft um Existenz und darum, verstanden zu werden, was ihre Arbeit beinhaltet und warum das so wichtig ist.» Monica Spoerlé vertraute den Schwestern schon in jungen Jahren an, was sie beschäftigt. Teilte auch die vielen schweren Schicksalsschläge der Tiere, die aufgenommen wurden. «Sie hat uns früh mitgenommen in ihre Lebensaufgabe. Und nahm auch unsere Ideen immer ernst.»
Jahr für Jahr übernahmen Stefanie und Janina mehr Aufgaben und mehr Verantwortung auf dem Hof, der gleichzeitig auch immer weiterwuchs. Vor sechs Jahren starb Monica Spoerlé im Alter von 70 Jahren. «Sie hatte uns auf diesen Tag vorbereitet. Zuletzt, als Moni die Kraft fehlte, haben wir gespürt, dass sie weiss, dass wir in ihrem Sinne weitermachen – und das Zeug dazu haben.» Janina und Stefanie betreiben den Tierlignadenhof als Stiftung. Damit zwar steuerbefreit, aber natürlich längst nicht frei von finanziellen Sorgen. «Wir haben keine fixen Einnahmen, nur fixe Ausgaben», sagt Janina. Entsprechend gelte es nach wie vor mit dem Engagement Spendenwillige zu begeistern. Sie halten die Tiere sehr familiär, also zum Beispiel ohne Zwinger für die Hunde oder Gehege für die Katzen. Die Pferde sind in Offenstallhaltung. «Unsere Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Hof werden unter Umständen noch 20 Jahre leben. Von der Hand in den Mund zu planen, wäre unverantwortlich», sagt Janina Sutter. Mit 190 Tieren hat der Tierlignadenhof seine Kapazitätsgrenze erreicht. Es gibt keine Plätze mehr im Stall. Was nicht bedeutet, dass der Tierlignadenhof nicht dennoch ständig Tierschicksale beeinflusst: «Unser Platz vor Ort ist begrenzt, ja. Aber wir sehen unsere Arbeit auch als Aufklärungsarbeit zum Thema Tierhaltung. So bieten wir in Not geratenen Tierhalter:innen an, sie in Gesprächen zu unterstützen. Und an unseren Besuchstagen geben wir weiter, was artgerechte Haltung ist, und fördern die Verbindung zwischen Tier und Mensch», beschreibt Stefanie Sutter.
«Unsere tierischen Bewohner auf dem Hof werden unter Umständen noch 20 Jahre leben. Von der Hand in den Mund zu planen, wäre unverantwortlich.»
Von Beruf und Berufung
Janina Sutter hat eine KV-Lehre gemacht und bis vor drei Jahren noch als Projektmanagerin bei einem Wirtschaftsprüfer gearbeitet. Seit sie Mutter geworden ist, gibt’s «nur» noch die Familie und den Hof. Tochter Noemi (16 Monate) ist noch weit weg von einer Berufsentscheidung. Würde Janina ihr empfehlen, in ihre Fussstapfen zu treten? Sie würde ihr absolut freistellen, welchen Berufsweg sie einschlägt. «Auf keinen Fall würde ich es ihr ausreden. Man lernt hier auf dem Tierlignadenhof viel über Tier und Mensch. Etwa auch Hilfe anzunehmen.» Stefanie erinnert sich an diese Zeit, als sie immer drängten bei den Eltern, um noch mehr Zeit auf dem Hof zu verbringen. «Mami und Papi haben es schon geschätzt, wir hätten ja auch viel Dümmeres machen können», sagt sie, «sie machten sich aber auch Sorgen, dass wir was verpassen: Reisen, Ausgehen, frei sein. Aber wir machten ja immer alles freiwillig.» Fürs Freisein scheint bis heute die Zeit zu fehlen. Stefanie arbeitet noch immer in einem 50-Prozent-Pensum im Büro und hat sich neben der grossen Arbeit auf dem Hof noch zur Tierheilpraktikerin und Wildtierpflegerin ausgebildet. Ihre Version von Freisein haben die Schwestern wohl einfach damals schon gefunden, mit acht Jahren auf dem Tierlignadenhof, wo manchmal über Nacht die Familie wächst.
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