Mutter und Kalb gehören zusammen

Datum: 28. March 2024
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Die Mutter-Kalb-Haltung ist noch nicht sehr verbreitet. Der Milchviehbetrieb der Familie Jost in Bern geht mit gutem Beispiel voran. Die Umstellung, von der Fachstelle MUKA begleitet, ist ein grosser Gewinn für das Wohlergehen der Tiere: Die Herde ist ausgeglichener, die Kälber sind in bester Verfassung. Ökonomisch gesehen besteht die Herausforderung darin, den tieferen Milchertrag zu kompensieren.


In Zusammenarbeit mit der Fachstelle MUKA hat ProTier eine Kampagne zur Mutter-Kalb-Haltung lanciert. Die Kampagne soll nicht nur der Aufklärung dienen und Wissen vermitteln, sondern auch gezielt Landwirtinnen und Landwirte unterstützen; konkret mit Erstberatungen und einem finanziellen Umstellungsbeitrag.


Kälber, die gemeinsam mit ihren Müttern aufwachsen können: Das ist ein Bild, das in der Milchproduktion alles andere als selbstverständlich ist. Bei der Familie Jost am schönen Wohlensee in Bern erhalten die Tiere diese Chance. Der Milchviehbetrieb wurde 1990 von Josts übernommen und entwickelt sich seither mit jeder Generation weiter. Fredi, Karin und Sohn Lukas bewirtschaften den Betrieb seit 2023 als Generationengemeinschaft, wobei Lukas' Verlobte Ines die Familie zusätzlich unterstützt, soweit es ihr Beruf als Grosstierärztin zulässt.

Herzblut und berührende Momente

Mit leuchtenden Augen berichtet Lukas Jost über die Anfänge der eigenen Mutter- Kalb-Haltung (MuKa). Es wird schnell deutlich, mit wie viel Herzblut er sich täglich für das Wohlbefinden der Tiere einsetzt. Jede Geburt und die schönen Momente, die mit Mutter und Kalb entstehen, sind für Lukas kleine, alltägliche Erfolgserlebnisse. Beispielsweise Kälbchen, die trotz Schwergeburt überlebten, oder Kälbchen mit Handicap, die eine zweite Chance erhalten. Aufmerksam auf die Mutter-Kalb-Haltungsform wurde er durch einen Zeitungsartikel über den Verein «Cowpassion». Nach einer ersten Kontaktaufnahme mit «Cowpassion» stand für die Familie Jost schnell fest, den Betrieb auf MuKa umzustellen. Die unmittelbare Trennung von Mutter und Kalb nach der Geburt war für Lukas Jost jedes Mal aufs Neue sehr belastend und deshalb keine Option mehr für ihn. Als sich auch noch die politischen Rahmenbedingungen im Sommer 2020 zu Gunsten der Milchkühe änderten und es seither erlaubt ist, Milch von säugenden Kühen in den Lebensmittelkanal abzuliefern, war das Projekt «MuKa Hof Jost» geboren. Im Mai 2021 erfolgte schliesslich mithilfe der Fachstelle MUKA die Umstellung.

Besonderheiten und Herausforderungen

Aktuell besteht die Herde aus 28 Kühen mit 13 Kälbern, wobei die Kälber ohne Kontakteinschränkungen während fünf Monaten mit ihren Müttern zusammen aufwachsen dürfen. Die Tiere zeigten keinerlei Auffälligkeiten im Umstellungsprozess. Die Auswirkungen sind durchwegs positiv: Die Herde ist ausgeglichener, und die Kälbergesundheit hat sich deutlich verbessert. Auch das Handling der Tiere wurde einfacher, da die Kleinen von Anfang an von Lukas Jost miteinbezogen werden, sei es beim Melken im Melkstand oder bei den Stallarbeiten, die den Tieren durch tägliche Kuscheleinheiten versüsst werden.

Dies hat nicht nur einen positiven Effekt auf das Wohlergehen der Tiere, sondern auch auf die Milchabgabe. Darüber hinaus ist auch die Trennung von Mutter und Kalb, die nach fünf Monaten erfolgt, durchdacht, und sie wird innerhalb von 14 Tagen umgesetzt. Der Zugang zur Milch wird durch «Noseflaps» (Nasenklappen) verhindert, wobei das Sozialverhalten von Mutter und Kalb langsam nachlässt. Mit dieser Methode ist Lukas zufrieden, er fügt jedoch an: «Verbesserungen sind immer möglich, um eine möglichst schonende Trennung zu garantieren». Die positiven Erlebnisse haben aber auch eine Schattenseite: Die Familie Jost muss einen um rund 40 Prozent tieferen Milchertrag hinnehmen. Mit den Kälbchen im Melkstand sind die Kühe zwar entspannter und geben dadurch mehr Milch ab. Aber da die Kälbchen gleichzeitig trinken, nimmt die Milchmenge ab, die in den Verkauf gelangen kann. Der Verlust kann bis heute nicht ausgeglichen werden, und der Betrieb ist auf Einnahmen der anderen Betriebszweige angewiesen, wie die Direktvermarktung von Käse, Fleisch und Obst sowie den Verkauf von Weihnachtsbäumen. Neben der finanziellen Belastung ist das neue Management der MuKa-Herde, wie beispielsweise das schonende Absetzen oder die Eutergesundheit, für Lukas Jost immer wieder sehr herausfordernd.

Voller Ideen – und ein grosser Wunsch

Die Ideen, den Betrieb weiterzuentwickeln und zu optimieren, gehen der Familie Jost aber nicht aus. Das Projekt «HofäGmües» von Markus Jost und Michael Köpff beispielsweise soll ab 2024 Gemüse-Verkauf nach den Prinzipien des «Market Gardening» sowie den Richtlinien des biologischen Landbaus ermöglichen. Aber nicht nur die Gemüsegärtnerei soll biologisch bewirtschaftet werden. Der gesamte Betrieb soll voraussichtlich auf das Jahr 2025 hin auf Bio umgestellt werden. Grundsätzlich wünscht sich die Familie, dass das Herzensprojekt «MuKa» keine finanziellen Verluste mehr mit sich bringt. Doch was auch immer die Zukunft bereithält: Für Lukas Jost zählt nur eines, nämlich seinem Herzen folgen zu können. Sollte das Projekt «MuKa» trotz all der Anstrengungen einmal keine Zukunft mehr haben, werden Josts die Milchwirtschaft ganz einstellen und sich neu orientieren.