Schwierige Markteinführung
Das Interesse an der muttergebundenen Kälberaufzucht ist gross. Doch bei der Markteinführung von MUKA-Produkten harzt es noch. Das hat verschiedene Gründe.
Die muttergebundene Kälberaufzucht (MUKA) ist ein vielversprechender Weg zu einer tierfreundlicheren Milchproduktion. Normalerweise werden Kälber auf Schweizer Bauernhöfen unmittelbar nach ihrer Geburt von ihren Müttern getrennt. Auf MUKA-Betrieben hingegen werden sie mindestens drei Monate von ihrer Mutter gesäugt. Trotz grossen Interesses sowohl von Konsument:innen als auch von Produzent:innen gibt es bis heute nur ganz wenige MUKA-Produkte auf dem Markt.
«Momentan stecken wir in einer Art Pattsituation», sagt Cornelia Buchli, Leiterin der Fachstelle für Mutter-Kalb-Haltung. Der Hintergrund ist folgender: Zum einen benötigen Landwirt:innen, die MUKA-Haltung betreiben, einen ungefähr 30 Prozent höheren Milchpreis – so gross ist der Verlust der verkaufbaren Milch durch das Säugen der Kälbchen. Zum anderen muss die MUKA-Milch separat verarbeitet werden, damit sich Trinkmilch, Käse oder Joghurts als tierfreundlichere Alternativen verkaufen lassen.
Verarbeiter warten, Betriebe zögern
Damit sich eine separate Verarbeitung für grössere Molkereien lohnt, braucht es aber relativ grosse Milchmengen. «Diese Mengen erreicht die MUKA-Milch momentan nicht», sagt Cornelia Buchli. Denn die bislang ungefähr 25 MUKA Betriebe sind über die ganze Schweiz verteilt, die Wege zu einer zentralen Annahmestelle wären zu weit. Das führt zu einem klassischen Patt: Verarbeiter warten darauf, dass es mehr MUKA Betriebe gibt – umstellungswillige Betriebe aber zögern, weil sie noch keine Abnehmer:innen haben.
Die Folge: Die meisten MUKA-Betriebe müssen ihre Milch momentan in den herkömmlichen Kanälen verkaufen, zum Beispiel als Bio-Milch. Sie bekommen denselben Preis wie jene, die keine Milch-Einbussen aufgrund von säugenden Kälbchen haben. «Die einen kompensieren das über andere Betriebszweige, wie Obst- oder Gemüsebau, die anderen über Patenschaften», sagt Cornelia Buchli. «Aber das können sie nicht ewig machen.»
Einen schweizweiten Verkauf von MUKA-Produkten ermöglicht bislang einzig der Verein Cowpassion. Cowpassion bietet auf seiner Webseite einige Käsesorten zum Verkauf an, die drei MUKA-Betriebe herstellen. Die Nachfrage nach diesem Käse sei sehr gross, sagt Cowpassion-Präsidentin Evelyn Scheidegger, die selber mit ihrem Mann seit sieben Jahren in Signau im Emmental einen MUKA-Hof betreibt. «Aber es bedingt, dass diese Betriebe über eine hofeigene Käserei verfügen.» Sie selber und die meisten anderen MUKA-Betriebe hätten diese Möglichkeit nicht.
«Wir hoffen darauf, dass die MUKA-Käserei eine neue Dynamik auslöst.»
Eine MUKA-Käserei
Ein Lösungsansatz wären regionale Käsereien, die MUKA-Milch separat zu Käse verarbeiten. Cowpassion und die Fachstelle MUKA unterstützen deshalb die Bemühungen, in Vechigen im Kanton Bern eine MUKA-Käserei aufzubauen. Natürlich würden nicht alle Schweizer MUKA-Betriebe ihre Milch in diese Käserei bringen können, sagt Cornelia Buchli. «Aber wir hoffen darauf, dass das eine neue Dynamik auslöst.» Genauso wichtig wie die Verarbeitung zu Käse wäre die Herstellung reiner MUKA-Trinkmilch. «Es gibt eine explizite Nachfrage nach solcher Milch», sagt Evelyn Scheidegger. Cowpassion hat deshalb ein Crowdfunding lanciert, um einen Milch-Sammeltank zu finanzieren. Die Idee sei es, die Anlage einer Molkerei zur Verfügung zu stellen und ihr damit den Entscheid zu erleichtern, MUKA-Milch künftig separat zu homogenisieren, pasteurisieren und abzufüllen. «Die bestehenden Sammeltanks sind zu gross für die Mengen, die unsere Betriebe anfangs liefern können – und es ist wichtig, eine getrennte Sammlung zu haben, damit die MUKA-Milch separat verarbeitet werden kann, wenn die Abfüllanlage freie Kapazitäten hat», sagt Scheidegger.
In Holland ein Erfolg
Auch sie betont, dass solche ersten Schritte helfen könnten, einen Weg aus der momentanen Pattsituation zu finden. Denn dass Produkte aus der muttergebundenen Kälberaufzucht Potenzial haben, zeigt das Beispiel Holland. Unter dem Namen «Kälberliebe» bietet dort die grösste Supermarktkette des Landes schon seit zwei Jahren MUKA-Milch an. Aufgrund des Erfolgs hat der Händler neu auch ein Joghurt auf den Markt gebracht. Bis MUKA-Produkte hierzulande bei Grossverteilern erhältlich sind, bleibt MUKA-Höfen nichts anderes, als ihre Milch mit eigenen kreativen Ideen zu einem fairen Preis an die Kundschaft zu bringen – zum Beispiel durch Direktvermarktung im Hofladen.
In der Schweiz haben erst kürzlich mit Coop und Lidl zwei Grossverteiler ihr Interesse bekundet, MUKA-Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen. Das ist ein Hoffnungsschimmer am Horizont – aber bis eine gesamtschweizerische Lösung gefunden ist, wird es wohl noch eine Weile dauern.
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