Schwein gehabt
Auf dem Lebenshof Hashüsli, etwas abgelegen und versteckt im Oberaargau, kümmert sich Bea Lehmann liebevoll um Tiere mit schwerer Lebensgeschichte. Rinder, Pferde, Katzen, Schweine, Minipigs – alle dürfen den Alltag in ihrem Tempo bestreiten.
Hope springt wie ein junges Reh die steile Weide herauf. «Alles gut!», ruft ihr Bea Lehmann von oben entgegen, um das dreijährige Rind zu beruhigen. Der Fotograf hat seine Drohne über den idyllisch gelegenen Hof in Walterswil im Oberaargau steigen lassen. Das surrende Geräusch des Flugobjekts hat Hope irritiert und kurz erschreckt. Das ist kein Wunder: Hope und alle anderen Tiere auf dem Hof sind sich solch unnatürliche Geräusche nicht gewohnt. Hier gibt es kaum Traktorenlärm, keine Melkmaschinen – keinen Stress. Auf dem Lebenshof Hashüsli, den Bea Lehmann in den letzten acht Jahren aufgebaut hat, dürfen die Tiere ihr Dasein einfach geniessen.
Angefangen hatte alles mit den beiden Pferden Sämi und Shannon. Für alle Pferdepensionen war der schwer traumatisierte ehemalige Zuchthengst Shannon ein schwieriger Fall. «Deshalb suchte ich einen eigenen Hof, auf dem er zur Ruhe kommen konnte.» Einfach war das nicht, aber schliesslich fand sie das Hashüsli. Doch eigentlich waren dessen zweieinhalb Hektaren Weideland für die vier – zu ihnen gehörte auch Kater John – zu gross. Nach und nach kamen deshalb weitere Tiere dazu – kranke, alte, vernachlässigte und solche, denen die Schlachtbank drohte. Ihr Lebenshof entstand.
Für den Grill vorgesehen
Inzwischen teilt Bea Lehmann ihren Hof mit einem Pferd, zwei Ponys, drei Rindern, vier Katzen, zwei Schweinen und fünf Minipigs. Ein solches Minischweinchen wackelt gerade aus einem Schopf, den die 42-Jährige mit weichen Strohbettchen, Wärmelampen und Kratzbürsten in ein wahres Schweinchenparadies verwandelt hat. «Hallo Oskar», ruft Lehmann, geht in die Hocke und beginnt den schwarzen Rücken des Wonneproppens zu kraulen. Oskar grummelt – es sind Laute des Entzückens – und legt sich auf die Seite, damit Bea Lehmann ihm das Bäuchlein streicheln kann.
Oskar kam vor fünf Jahren mit seinen beiden Brüdern Woody und Elvis auf den Lebenshof. Die drei waren überzählig auf einem Hof für tiergestützte Therapie und hätten als Spanferkel enden sollen. Eine Frau rettete die Schweinchen und versuchte, ein Plätzchen für sie zu finden. Sogar über eine Fernsehsendung. Vergeblich. Bis Bea Lehmann die damals knapp halbjährigen, nur lineallangen Minipigs auf ihren Lebenshof holte.
Zwei Jahre später kamen weitere Schweine auf den Hof: die beiden mächtigen ehemaligen Mastschweine Sefora und Runa – und die Minipigs Finn und Valentin, die als Geburtstagsgeschenke bei jemandem gelandet waren, der sie gar nicht haben wollte. Die Schweine und Minipigs, das merkt man, sind Bea Lehmann besonders ans Herz gewachsen. «Wenn ich als Kind Schweine gehabt hätte, dann wäre ich nicht zu einem Pferdemädchen geworden», sagt sie.
Harte Arbeit, grosse Verantwortung
Die vielen Erlebnisse mit ihren Tieren erfüllen Bea Lehmanns Herz. Doch das Leben auf einem Lebenshof ist nicht nur Vergnügen. Es ist ein Knochenjob. Zwar bekommt Bea regelmässig Unterstützung von freiwilligen Helferinnen und Helfern. Doch den Grossteil der Arbeit erledigt sie selbst – und die Verantwortung trägt sie alleine. Nur schon das Misten und Füttern nehme sechs bis acht Stunden pro Tag in Anspruch, sagt sie. Daneben wollen die Tiere gepflegt sein; sie muss Futter und Material organisieren, bestellen und einkaufen; sie repariert Zäune, arbeitet im Wald, betreut Tierpatinnen und -paten und sucht mit Flyern, mit Anlässen oder auf Social-Media-Kanälen nach Spenderinnen und Spendern.
Die Kosten des Lebenshofs sind hoch. Es können hier keine Lebens-, Futter- und Einstreumittel zum Verkauf oder Eigengebrauch produziert werden. Und für Direktzahlungsbeiträge ist die Nutzfläche des Hofs zu klein. Bis vor zwei Jahren arbeitete Bea Lehmann nachts als Pflegefachfrau in einer Akutpsychiatrie, um den Lebenshof zu finanzieren. «Aber der chronische Schlafentzug hatte schwere gesundheitliche Folgen», sagt sie. Seit diese Doppelbelastung weggefallen ist, hat Bea Lehmann sich langsam wieder erholt.
Doch als Folge sind die Finanzen des Lebenshofs in Schieflage geraten. Das Hashüsli benötige dringend finanzielle Hilfe, sagt Bea Lehmann. Ansonsten müsse sie den Lebenshof bis Ende Jahr auflösen und für ihre Tiere neue Plätze suchen. Dabei ist schon viel erreicht. Der gemeinnützige Verein Pro Lebenshof Hashüsli hat die Steuerbefreiung erhalten, Bea Lehmann hat bereits viele Patinnen und Paten gewonnen und mit diversen Marketingaktionen immer wieder Spenden generiert und es wird aktiv nach einer Co-Leitung gesucht, die sich zunächst ehrenamtlich beteiligen würde. Zudem ist Bea Lehmann zuversichtlich, mittels Anträgen auch Unterstützung von Förderstiftungen zu erhalten.
Ideen im Überlebenskampf
Sie sieht die Krise als Chance. Lässt sich doch noch die nötige Unterstützung finden, ist sie überzeugt, kann eine nachhaltige Finanzierung für das Hashüsli aufgebaut werden. Bereits steht ein Konzept für diverse Angebote, die ein Gewinn für Mensch und Tier wären und gleichzeitig für Einnahmen sorgen würden. Ideen sind zum Beispiel, Erlebensnachmittage für Schulen, Teamevents für Firmen oder Halterkurse für Schweinefreunde anzubieten. «Damit überhaupt Zeitressourcen dafür entstehen, braucht es aber diese zweite Person auf dem Hof», sagt Lehmann. «Momentan kann ich die Hofarbeiten nicht einfach einen halben Tag oder einen Tag liegen lassen.»
Im Minipig-Schopf bewegt sich etwas. «Jetzt kommt Elvis, mein Seelenschweinchen!», sagt Bea Lehmann und strahlt. «Er leidet unter einem grossen Tumor im Bauch – und trotzdem ist er ein enorm positives Wesen.» Noch etwas schlaftrunken, aber ständig vor sich hin grunzend, trottet das Schweinchen über die Gummimatten, die auf dem Kies des Vorplatzes liegen. Mit grösster Wonne lässt er sich einige Minuten lang das Kinn kraulen. Dann zieht es ihn weiter auf die Wiese, die voller feiner Gräser und Kräuter ist. Keine Frage: Elvis und all die anderen Tiere hier haben Schwein gehabt, dass es sie zu Bea Lehmann ins Hashüsli verschlagen hat.
Der Lebenshof Hashüsli freut sich über Ihre Spende
Tiere zu versorgen ist aufwändig und teuer. Hier einige Posten, für welche die Tiere auf dem Lebenshof Hashüsli dringend auf Unterstützung angewiesen sind:
- Die Schweine und Minipigs auf dem Hof haben einen gesunden Appetit: 12’000 Franken pro Jahr
- Die Hufe von Pferden und Rindern benötigen regelmässige Pflege: 6000 Franken pro Jahr
- Pferde, Rinder und Schweine brauchen Heu und Einstreu: 14’000 Franken pro Jahr
- Tiere auf einem Lebenshof sind oft krank oder alt. Tierarztkosten ohne Notfälle: 6000 Franken pro Jahr
- Manchmal braucht ein Tier eine besonders aufwändige Behandlung. Bei einem Pferd kostet das schnell 5000 Franken
- Stalleinrichtungen müssen instand gehalten werden, in Weide und Wald fallen Unterhaltsarbeiten an: 9000 Franken pro Jahr