Tierheime unter Druck

Datum: 28. June 2024
Autor:

Fehlendes Personal, weniger Spenden, mehr Problemhunde: Tierheime haben mit allerlei Herausforderungen zu kämpfen. Am meisten aber beschäftigt sie die Konsumhaltung vieler vermeintlicher Tierfreunde.

In den Tierheimen gibt es ein vor und ein nach Corona: Während der Pandemie stieg die Nachfrage nach Haustieren stark an. 2023, ein Jahr nach Ende der Pandemiezeit, wollten viele ihr neu angeschafftes Haustier bereits wieder abgeben. Im Tierheim des Zürcher Tierschutz waren bis Corona jeweils um die 400 bis 420 Tiere untergebracht. Während der Pandemie sank die Zahl der aufgenommenen Tiere auf 300, jetzt sind es wieder 350. «Darunter sind auch etliche schwierige Hunde», erzählt Rommy Los, Geschäftsleitung Zürcher Tierschutz.

Aus dem Ausland bestellte Hunde

Muss der Tierrettungsdienst ausrücken, um einen Hund zu sichern, handle es sich fast immer – und vor allem seit der Pandemie – um einen Hund aus dem Ausland, sagt Tanya Hofer. Sie leitet das Tierheim Pfötli in Winkel, das zur Stiftung TierRettungsDienst gehört, die rund um die Uhr Tieren in Not hilft. Diese Hunde seien oft nicht danach ausgewählt, ob sie mit den völlig anderen Lebensbedingungen als Haustier in der Schweiz zurechtkommen. So würden viele von ihnen weder Halsband noch Leine kennen und hätten kaum Kontakt zu Menschen gehabt. «Und die Menschen, die sie übernehmen sind schlecht bis gar nicht darüber informiert, was auf sie zukommt», sagt Hofer.

Für die Helena-Frey-Stiftung, die ein Tierheim in Rümlang betreibt, hatte Corona auch finanzielle Einbussen zur Folge. Die Ferienplätze für Hunde, Katzen und Kleintiere blieben leer, die Einnahmen blieben aus. Und fehlten für die Pflege der circa 250 grösstenteils älteren Tiere, die ihren Lebensabend auf dem 35’000 Quadratmeter grossen Areal verbringen dürfen. Zudem werde weniger gespendet, sagt Barbara Guggenbühl, die Leiterin des Tierheims. «Die Leute schauen mehr aufs Geld. Und wir müssen kämpfen, um über die Runden zu kommen.»

Ebenfalls beschäftigt Guggenbühl der Personalmangel in der Branche: Vor 10 Jahren gingen auf ein Stelleninserat für eine Tierpflegefachperson 50 Bewerbungen ein. Heute melden sich nur wenige, oft ohne abgeschlossene Ausbildung. Guggenbühl nimmt an, dass sich viele für die dreimonatige «light» Ausbildung zum Tierbetreuer FBA entscheiden, statt die dreijährige Ausbildung zum Tierpfleger zu absolvieren. Und dann als Hundesitter arbeiten. Der Job sei weniger streng als der des Tierpflegers, der auch Abend- und Wochenendeinsätze leiste. Auch im Tierheim Pfötli ist der Personalmangel spürbar: Zeitweilig konnten deswegen weniger Tiere aufgenommen werden.

Ein Tier wie aus dem Katalog

Nebst Fachleuten werden auch Freiwillige gesucht: Im Helena-Frey-Tierheim fehlen Freiwillige, die bei diversen Umgebungsarbeiten anpacken. Das Tierheim des Zürcher Tierschutz braucht Engagierte zum Rasenmähen. Bei der Stiftung TierRettungsDienst sind es freiwillige Fahrerinnen und Fahrer, dank denen Tieren 365 Tage im Jahr rund um die Uhr geholfen werden kann. Der Bedarf an Unterstützung steigt mit der Zahl der Einsätze. 2018 ist die Tierrettung 3980-mal ausgerückt, vergangenes Jahr bereits 6071-mal. «Und die Tendenz ist weiter steigend», so Hofer.

Was Fachleute aber am meisten beschäftigt, ist die Konsumhaltung vieler Leute, wenn es um Tiere geht. In der Euphorie der Anschaffung überhören Interessierte die Baustellen der Hunde oder Katzen, welche die Tierpflegenden stets klar benennen. Und dann fehle es an Geduld und Ausdauer, um einem Tier mit einer schwierigen Geschichte einen Neustart zu ermöglichen. «Sie sollen sich von Anfang an perfekt verhalten», sagt Rommy Los.

Zoohandlung oder Spielwarengeschäft?

«Viele gehen nur auf das Aussehen und ignorieren die Beschreibung der Tiere und ihre Bedürfnisse», bestätigt Barbara Guggenbühl. Ihr Tierheim sei voll mit abgegebenen Kaninchen und Schildkröten. «Die weiblichen Kaninchen sind oft nicht kastriert und wollen im Frühling nesten. Die kastrierten Männchen aber reagieren nicht auf sie.» Das führe zu Konflikten und dann finde man die Kaninchen plötzlich nicht mehr herzig. Und bei den Schildkröten gehe gerne vergessen, wie alt sie werden. Kürzlich wollte eine Frau das Meerschweinchen ihrer Tochter abgeben mit der Begründung, diese wolle nun doch lieber ein Büsi. «Ich habe sie in ein Spielwarengeschäft geschickt», sagt Guggenbühl. Sie findet, Zoohandlungen müssten auch zur Verantwortung gezogen werden können und Tiere zurücknehmen.

KONSUMHALTUNG

Bestellte Tiere

Tanya Hofer vom Tierheim Pfötli stimmt es auch nachdenklich, dass längst nicht alle nach ihren verschwundenen Tieren suchten oder sie weggäben, sobald ein Problem auftaucht. «Die Leute können mit wenigen Klicks ein Tier bestellen. Aber sie versuchen nicht herauszufinden, wie ihnen das Internet helfen kann, ihr vermisstes Tier wiederzufinden.» Denn sonst würden sie schnell bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale STMZ landen. «Und andererseits sind viele nicht gewillt, Zeit oder Geld zu investieren, um Lösungen zu finden, dass Hund, Katze und Co. bleiben können», bedauert Hofer. «Das Tier muss dann einfach weg.»

Ihre Spende hilft Heimtieren

Das Schicksal von Heimtieren liegt uns am Herzen. Helfen Sie dort, wo es am dringendsten gebraucht wird. Mit Ihrer Spende können Sie gemeinsam mit ProTier das Leben von Tieren in Not nachhaltig verbessern.