Tollwut – eine in Vergessenheit geratene tödliche Viruserkrankung

 

Dr. Josef Föhn ist seit über 20 Jahren als Tierarzt in Kleinandelfingen im Zürcher Weinland tätig. Seit vielen Jahren schreibt er regelmässige Gastbeiträge über Tiergesundheit für unser Magazin.

30. September 2021

Seit 1999 ist die Schweiz offiziell frei von Tollwut, trotzdem impfen wir unsere Tiere immer noch dagegen und werden dies auch in Zukunft tun.

In meinem bereits über 30-jährigen Berufsleben habe ich gewiss weit über tausend Hunde und Katzen gegen die Tollwut geimpft, obwohl der letzte Fall in der Schweiz sich vor über 25 Jahren ereignet hat und unser Land seit 1999 offiziell frei von dieser Viruskrankheit ist. Ich selbst habe dieses Krankheitsbild in meiner Praxis bisher auch noch nie gesehen. Warum also impfen wir gegen eine Krankheit, die es in der Schweiz gar nicht mehr gibt? Dafür gibt es folgende ernsthafte Gründe:

Jährlich sterben immer noch über 60’000 Menschen an der Tollwut
Weltweit sterben immer noch über 60’000 Menschen jährlich – vor allem in Asien, Afrika und Südamerika – an dieser heimtückischen Krankheit, an der prinzipiell Säugetiere und Vögel erkranken können und die vor allem durch Fledermäuse, Wildtiere wie Füchse oder Eichhörnchen und durch unsere Haushunde und Hauskatzen auf den Menschen übertragen wird.

Die Inkubationszeit beträgt zwischen drei Monaten und mehreren Jahren
Die im Speichel der Tiere vorhandenen Viren gelangen über Biss- oder Kratzverletzungen ins menschliche Gewebe und wandern entlang der Nervenzellen oder über die Blutbahn ins Zentralnervensystem. Die Dauer zwischen Ansteckung und Auftreten der ersten Symptome beträgt etwa drei Monate. Die sogenannte Inkubationszeit kann aber auch mehrere Jahre betragen. Sobald das Virus das zentrale Nervensystem – Rückenmark bzw. Gehirn – erreicht hat, hilft keine Therapie mehr. Darum ist es enorm wichtig, bei Verdacht auf eine Infektion sofort zu reagieren: Auswaschen der Wunde, Impfung und passive Immunisierung mit Tollwutantikörpern.

Zu Beginn der Krankheit dominieren grippeähnliche Symptome wie Fieber und Schüttelfrost, dann besteht oft ein Juckreiz in der Nähe der Bissstelle, später dominieren die mannigfaltigen Erscheinungen einer Hirnentzündung: Lähmungen, Krämpfe, Tobsuchtsanfälle und Aggressivität. Klassisch ist die Angst vor Umweltreizen (Wasser, Luftzug, Licht, Geräusche), die zu Wutanfällen führt. Der Tod tritt meist innert 14 Tagen infolge einer Lähmung des Atemzentrums im Stammhirn ein.

Das unvorstellbar qualvolle Leiden der Patienten, das in den meisten Fällen zum Tod oder zu schwerster Behinderung führt, und die Heimtücke der langen Inkubationszeit erklären unser grosses Interesse an der Elimination der Tollwut. Die in den Siebzigerjahren erstmals in der Schweiz durchgeführte orale Immunisierung von Füchsen mittels Impfködern führte schliesslich zum Erfolg: 1996 wurde der letzte Tollwutfall diagnostiziert.

Unser Land gilt seit über zwei Jahrzehnten als tollwutfrei. Auch unsere Nachbarn haben die Tollwut sehr erfolgreich bekämpft. Der illegale Import von Hunden und Katzen aus Tollwutrisikogebieten stellt aber nach wie vor eine Gefahr für uns dar. 

Sehr strenge Vorschriften für die Einführung von Tieren aus Tollwutrisikogebieten
Darum sind die Vorschriften sehr streng: Elektronische Markierung, gültige Impfung und offizieller Pass sind Mindestanforderungen für den Grenzübertritt. Für Tiere aus Tollwutrisikogebieten gelten besonders strenge Vorschriften. So muss mittels Titerbestimmung der Nachweis einer Wirksamkeit der Tollwutimpfung geführt werden.

Auf der Website des Bundesamts für Landwirtschaft und Veterinärwesen ("Mit Hund, Katze oder Frettchen über die Grenze") können die entsprechenden Einreisebestimmungen für alle Länder nachgeschlagen werden. Dies ist sehr wichtig, denn bei Nichtbefolgen droht eine kostenpflichtige Quarantäne, eine Geldbusse und im schlimmsten Fall die Euthanasie des betroffenen Tieres. Hunde und Katzen, die in der Schweiz bleiben, müssen nicht gegen Tollwut geimpft werden. Wer aber mit seinem Vierbeiner über die Grenze fährt, muss eine gültige Tollwutimpfung nachweisen können, die mindestens drei Wochen vor dem Grenzübertritt durchgeführt wurde.