Die Werbung suggeriert uns ein harmonisches Bild: glückliche Hühner, die in Kleingruppen auf der Weide herumscharren dürfen und sogar freiwillig in den Supermarkt gehen, um ein fehlendes Ei zu legen. Doch entgegen der weit verbreiteten Meinung, Schweizer Eier, insbesondere aus Freiland- oder Biohaltung, stammten von glücklichen und artgerecht gehaltenen Hühnern, sieht die Realität anders aus: Über 3,5 Millionen Legehennen produzieren in der Schweiz insgesamt 1,1 Milliarden Eier pro Jahr – für das Tierwohl bleibt dabei wenig Platz. 

Wie sieht eine artgerechte Haltung aus?

Bei einer argerechten Haltung werden die natürliche Verhaltensweise und Bedürfnisse der Hühner berücksichtigt. So leben sie bevorzugt in Kleingruppen von ein paar Dutzend Tieren und einem Hahn, der die Herde beschützt und für Ordnung sorgt. Sie haben eine strenge Hierarchie, die sogenannten "Hackordnung". Den grössten Teil ihres Tages verbringen Hühner mit der Suche und Aufnahme von Nahrung. Sie lieben Sandbaden und sind sehr fürsorgliche Mütter, die sich rührend um ihren Nachwuchs kümmern. Diese Verhaltensweisen sind arttypisch, also naturgegeben und damit grundsätzlich nicht zu beeinflussen.

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV erwähnt unter anderem die Wichtigkeit der sozialen Kontakte: Hühner brauchen Platz, um sich zu begegnen, sich einzuschätzen, sich auseinander zu setzen, um gemeinsam Futter zu suchen oder ein Staubbad zu nehmen. Auch die Platzverhältnisse eines Huhns erwähnt das BLV auf seiner Webseite: "Hühner benötigen auch genügend Raum, um in Ruhe ihr Federkleid zu ordnen, sich zu putzen, sich zu schütteln, mit den Flügeln zu schlagen oder gleichzeitig einen Flügel und ein Bein zu strecken. Sie nehmen regelmässig ein Sand- oder Staubbad. Eine Gelegenheit zum Staubbaden in einer Sandgrube oder geeignete Einstreu (siehe Fachinformation Einstreu) sowie ruhigere Plätze sind also ebenfalls wichtige Elemente einer tiergerechten Hühnerhaltung." 

Wie werden Legehennen in der Schweiz gehalten?

Glaubt man der Werbung, ist die artgerechte Haltung bereits lange Realität. Angesichts des hohen Produktionsvolumen der Eierindustrie sieht die Realität anders aus: Bis zu 18'000 Hennen werden ohne jegliche Beschäftigungsmgölichkeit in riesige Hallen gepfercht, ohne Auslauf ins Freie. Was sich qualvoll anhört, ist gemäss Schweizer Tierschutzgesetz erlaubt. 

Bei dieser grossen Menge an Tieren werden die Schnäbel der Hühner touchiert – ein für das Tier schmerzhaftes Verfahren, bei dem der Oberschnabel ohne Betäubung gekürzt wird. Die Massnahme wird ergriffen, weil es in grossen Gruppen häufig zu Federpicken unter den Hühnern kommt, was sich bis hin zum Kannibalismus steigern kann. Da nur 20 % des Stalles eingestreut werden muss, ist die Pflege indivdueller Tiere in Ställen mit Tausenden Tieren (beinahe) unmöglich.

Die Legeleistung von Hennen wurde in den vergangenen Jahren durch die Zucht immer weiter erhöht, sodass ein Huhn heute über 300 Eier pro Jahr legt. Diese hohe Leistung hat ihren Preis: Eine aktuelle Studie zeigt auf, dass 97 % der Legehennen Knochenbrüche erleiden, weil sie durch das konstante Eierlegen nicht genug Kalzium für ihre Knochen haben.

Eine Legehenne hat eine natürliche Lebenserwartung von rund 8 Jahren. Ihre tatsächliche Lebensdauer in der Eierindustrie ist deutlich kürzer: Die männlichen Küken werden bei Legehuhnrassen noch am Tag ihrer Geburt vergast. Weil ihre Produktion nachlässt, werden Legehennen bereits nach 1.5 Jahren getötet und landen zur Energiegewinnung in der Biogasanlage.

Die Kehrseite der Hochleistungszucht – "Berufskrankheiten" und Verhaltensstörungen

Mit der Zucht auf hohe Legeleistung wurden als Nebenerscheinungen auch Verhaltensstörungen wie Federpicken und als Folge davon Kannibalismus selektiert. Insbesondere das Federpicken findet sich bei allen Legehybriden, unabhängig von der Haltungsform. Es wird durch verschiedene Stressfaktoren wie schlechte Luft- und Lichtbedingungen, Haltungs- oder Fütterungsfehler, aber auch Umstallung, Transport und Krankheiten ausgelöst. Es tritt jedoch viel seltener auf, wenn die Hennen genügend Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Anstatt jedoch die Ursache des Problems anzupacken, wird den Hennen der Schnabel "touchiert", was bedeutet, dass man ihnen den empfindlichen Schnabelspitz wegbrennt, um Verletzungen vorzubeugen. Einzig Bio-Suisse verbietet diese Praktik.

Durch die Hochleistungszucht sind Legehennen auch sehr anfällig für Krankheiten wie Eileiterentzündungen, Gelenkdeformationen, Knochenmarkentzündungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Oft treten auch Knochenbrüche aufgrund von Osteoporose durch Kalziummangel auf. Da die Hennen das Kalzium, das sie für die Produktion der Eierschale benötigen, nicht allein über das Futter aufnehmen können, ziehen sie zusätzliches Kalzium aus den Knochen. Dadurch werden die Knochen immer brüchiger.
 

Was passiert mit männlichen Küken?

Eine weitere Schattenseite der Eierproduktion ist der Umgang mit den männlichen Küken. Über 50 % der Küken sind männlich. Da sie weder zur Eierproduktion noch zur Mast taugen, werden sie noch am Tag ihres Schlüpfens vergast. 

Mittlerweile gibt es zwar Lösungsansätze mittels Geschlechtsbestimmung im Ei, die Geschlechtsbestimmung kann momentan jedoch erst am 9. Bruttag stattfinden – in diesem Stadium kann das Embryo aber bereits Schmerz empfinden. 

Eine weitere Alternative zum Kükentöten stellt die Aufzucht der Hähne und ihre Verwertung als Fleischlieferanten dar. Diese Praktik ist jedoch unrentabel und so muss die Aufzucht der Hähne durch einen höheren Preis für die Eier querfinanziert werden. Das bisher einzige Label, das komplett auf das Töten von Küken verzichtet und alle Hähne grosszieht, ist Demeter. Im November 2021 beschloss Bio Suisse das Ende des Kükentötens ab 2026. Nach dem Leitsatz "alle Küken sollen leben" verbot Bio Suisse auch die Geschlechterbestimmung im Ei und entschied sich für das Zweinutzungshuhn. Die Hennen legen zwar etwas weniger Eier, dafür setzen die Hähne etwas mehr Fleisch an und werden als Fleischlieferanten genutzt.

Wusstest Du...

 

  • …dass Hühner eine Lebenserwartung von ca. 8 Jahre haben?
     
  • … dass in der Schweiz jährlich rund 3 Millionen männlicher Küken gleich nach dem Schlupf vergast werden, weil sie "unrentabel" sind?
     
  • … dass Hühner sehr soziale Tiere sind, die in Gruppen von einigen Dutzend Hennen und einem Hahn leben?
     
  • … dass für die Eierproduktion bis zu 18'000 Hennen in eine Halle gepfercht werden und dies legal ist?
     
  • … dass keine einzige Haltungsmethode in der Eierproduktion an artgerechte Haltung auch nur herankommt, auch nicht Bio-Haltung?
     
  • … dass ein Huhn bis zu 80 Artgenossen unterscheiden und wiedererkennen kann?
     
  • … dass an Ostern 20% mehr Eier produziert werden?
     
  • … dass eine halbe Million zusätzliche Hennen benötigt werden, um den höheren Eierbedarf an Ostern zu decken, die danach einfach entsorgt werden, weil die Nachfrage an Eiern wieder sinkt?
     
  • … dass die gesamte Schweizer Eierindustrie zu 100% von vier ausländischen Zuchtbetrieben abhängig ist?