Das Leben einer Schweizer Legehenne
Hühner sind mehr als nur Eierlieferanten – sie sind neugierige, soziale und erstaunlich kluge Tiere. Doch wie sieht eigentlich das Leben eines Legehuhns in der Schweiz aus und welchen Einfluss hat die Massenhaltung auf ihr Wohlbefinden? Auf dieser Seite tauchen wir in das Leben einer Schweizer Legehenne ein und zeigen, welche Faktoren für ein glückliches Hühnerleben entscheidend sind.

Die Werbung suggeriert uns ein harmonisches Bild: glückliche Hühner, die in Kleingruppen auf der Weide herumscharren dürfen und sogar freiwillig in den Supermarkt gehen, um ein fehlendes Ei zu legen. Doch entgegen der weit verbreiteten Meinung, Schweizer Eier, insbesondere aus Freiland- oder Biohaltung, stammten von glücklichen und artgerecht gehaltenen Hühnern, sieht die Realität anders aus: Über 3,5 Millionen Legehennen produzieren in der Schweiz insgesamt 1,1 Milliarden Eier pro Jahr – für das Tierwohl bleibt dabei wenig Platz.
Alles beginnt mit dem Ei
Bevor eine Schweizer Legehenne ihren Nutzen erfüllen muss, beginnt ihr Leben an einem ganz besonderen Ort – im Ei:
Die Befruchtung ➡️ | Bildung Eiklar und Eierschale ➡️ | Bildung Membran und Eierschale ➡️ | Eiablage ➡️ |
Die Entwicklung eines Eies beginnt, wenn ein Hahn das Ei der Henne befruchtet. Das Dotter (Eizelle) hat sich im Eierstock der Henne über 2 bis 3 Wochen entwickelt und wartet dann auf die Befruchtung im Eileiter. Die finale Befruchtung passiert während des Paarungsvorgangs, wobei die Spermien des Hahns in die Eizelle der Henne gelangen. | Nach der Befruchtung bewegt sich die Eizelle durch den Legedarm, auch Ovidukt genannt. Dieser Vorgang findet jedoch auch statt, wenn keine Befruchtung erfolgt ist, also bei unbefruchteten Eiern, die entweder nach einer erfolglosen Paarung oder ohne Paarung gebildet werden. Der Legedarm besteht aus mehreren Abschnitten, die die Eizelle während des gesamten Prozesses durchläuft. Zuerst wird das Eiklar (Eiweiss) um die Eizelle gelegt, ein Vorgang, der etwa 3 Stunden dauert. Das Eiklar schützt die Eizelle und versorgt sie mit wichtigen Nährstoffen, die für die Entwicklung des Kükens notwendig wären, falls es befruchtet ist. | Im nächsten Schritt wird dann erst die äussere Eierschale gebildet. Zunächst legt sich eine dünne Membran um das Ei, gefolgt von der eigentlichen Kalkschale, die das Ei vor äusseren Einflüssen schützt. Dieser Prozess findet in der Gebärmutter der Henne statt und dauert in etwa 20 Stunden. Die Kalkschale besteht aus Kalzium und gibt dem Ei seine Festigkeit. | Sobald das Ei dann komplett ausgebildet ist, wird es durch den Kloakenkanal der Henne gepresst und abgelegt. |
Brutzeit (bei befruchteten Eiern) ➡️ | Entwicklung des Kükens ➡️ | Der Schlupf ➡️ | Nach dem Schlüpfen |
In der Natur würden die Elterntiere (Hahn und Henne) nun das Ei bebrüten, aber in der modernen Landwirtschaft wird das Ei oft von Maschinen in Brutkästen bebrütet. Die Brutzeit dauert etwa 21 Tage. Während dieser Zeit bleibt das Ei bei konstant hoher Temperatur und Feuchtigkeit, damit sich das Küken im Inneren gut entwickeln kann. | Vom ersten Tag an beginnt sich der Embryo im Ei zu entwickeln. Der Embryo wächst und wird von dem Eiklar mit Nährstoffen versorgt. Innerhalb der ersten Tage bildet sich schon das Herz des Kükens, und nach etwa einer Woche beginnen sich die ersten sichtbaren Körperteile wie der Kopf und die Flügel zu entwickeln. Ab dem 15. Tag beginnen die Federn zu wachsen und das Küken nimmt das Ei grösstenteils ein. | Kurz vor dem Schlüpfen beginnt das Küken, den sogenannten „Eizahn“ zu benutzen, um die Eierschale zu knacken. Dieser kleine, harte Zahn befindet sich auf dem Schnabel des Kükens und hilft dabei, die Schale endgültig zu durchbrechen und das Licht der Welt zu entdecken. | Nachdem das Küken geschlüpft ist, bleibt es zunächst trotzdem noch einige Stunden im Ei, um vollständig zu trocknen und dabei weiterhin geschützt zu sein. Danach ist das Küken bereit, die Welt zu erkunden. Es verlässt das Ei und beginnt, seine Umgebung zu erkunden, meistens unter der Aufsicht der Henne (oder im Falle der modernen Zucht, der Maschinen). |
Ab 6-8 Wochen sind die Küken Hühner, mit ca. 21 Wochen geschlechtsreif und somit als Legehennen bereit für die Eierproduktion. Im Alter von nur eineinhalb Jahren findet das Leben der Legehennne bereits ein jähes Ende, da die Legeleistung weniger wird und sie mit einer jüngeren Legehenne ersetzt wird. Wirtschaftlich unrentabel geworden, wird die ausgediente Henne anschliessend geschlachtet.
Was passiert mit männlichen Küken?
Über 50 % der Küken sind männlich. Während das Leben einer Legehenne im Alter von nur eineinhalb Jahren bereits ein jähes Ende findet, erblicken ihre männlichen Artgenossen kaum das Tageslicht, da sie weder zur Eierproduktion noch zur Mast taugen.
Seit 2020 ist das Schreddern von Küken in der Schweiz verboten, doch das Töten blieb bestehen. Bis 2025 wurden sie mit Gas betäubt und getötet, dann als Energiequelle oder Tierfutter genutzt. Mit der neuen Tierschutzverordnung ist das Kükentöten seit Februar 2025 in der Schweiz verboten. Stattdessen wird das Geschlecht bereits im Ei bestimmt, sodass männliche Eier frühzeitig aussortiert werden. Doch das Problem verlagert sich somit einfach zurück ins Ei. Zudem ist umstritten, ab wann ein Embryo bereits Schmerz empfinden kann.

Floras zweite Chance – ein Leben in Sicherheit
Die Rettung einer ausgedienten Legehenne
Simone vom Lebenshof Sinulay organisiert regelmässig Rettungsaktionen für Hühner, welche sich auf dem Weg in den Schlachthof befinden. Flora war eine von 710 Legehennen, die sie bei einer Rettungsaktion befreien konnte. Als Simone sie zum ersten Mal sah, wusste sie sofort, dass Flora unglaubliches Glück gehabt hatte. Am Ansatz ihrer Schwanzfedern klaffte eine große, blutige Wunde – eine Verletzung, die in der Enge einer Massentierhaltung oft das Todesurteil bedeutet. Hühner werden von Natur aus von Blut angezogen, und ihre Artgenossinnen hätten sie schon bald zu Tode gepickt.
Simone zögerte keine Sekunde. Sie wusste, dass Flora eine Chance auf ein neues Leben verdient hatte – ein Leben ohne Angst, ohne Ausbeutung, voller Würde und Fürsorge. Simone nahm sie mit zu ihr auf den Lebenshof Sinulay, wo sie sicher war, und die Pflege bekam, die sie so dringend brauchte. Heute ist Floras Wunde längst verheilt. Ihre Schwanzfedern sind zwar etwas schief nachgewachsen, doch genau das macht sie so besonders – ein sichtbares Zeichen für ihre Stärke und ihren Überlebenswillen. Sie lebt nun glücklich und zufrieden mit ihren Artgenossinnen, scharrt in der Erde, geniesst die Sonne und darf einfach sein, ohne Druck und ohne Angst.


Wie sieht eine artgerechte Haltung aus?
Bei einer argerechten Haltung werden die natürliche Verhaltensweise und Bedürfnisse der Hühner berücksichtigt. So leben sie bevorzugt in Kleingruppen von ein paar Dutzend Tieren und einem Hahn, der die Herde beschützt und für Ordnung sorgt. Sie haben eine strenge Hierarchie, die sogenannten "Hackordnung". Den grössten Teil ihres Tages verbringen Hühner mit der Suche und Aufnahme von Nahrung. Sie lieben Sandbaden und sind sehr fürsorgliche Mütter, die sich rührend um ihren Nachwuchs kümmern. Diese Verhaltensweisen sind arttypisch, also naturgegeben und damit grundsätzlich nicht zu beeinflussen.

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV erwähnt unter anderem die Wichtigkeit der sozialen Kontakte: Hühner brauchen Platz, um sich zu begegnen, sich einzuschätzen, sich auseinander zu setzen, um gemeinsam Futter zu suchen oder ein Staubbad zu nehmen. Auch die Platzverhältnisse eines Huhns erwähnt das BLV auf seiner Webseite: "Hühner benötigen auch genügend Raum, um in Ruhe ihr Federkleid zu ordnen, sich zu putzen, sich zu schütteln, mit den Flügeln zu schlagen oder gleichzeitig einen Flügel und ein Bein zu strecken. Sie nehmen regelmässig ein Sand- oder Staubbad. Eine Gelegenheit zum Staubbaden in einer Sandgrube oder geeignete Einstreu (siehe Fachinformation Einstreu) sowie ruhigere Plätze sind also ebenfalls wichtige Elemente einer tiergerechten Hühnerhaltung."
Die Kehrseite der Hochleistungszucht – Krankheiten und Verhaltensstörungen
Glaubt man der Werbung, ist die artgerechte Haltung bereits lange Realität. Angesichts des hohen Produktionsvolumen der Eierindustrie sieht die Realität anders aus: Bis zu 18'000 Hennen werden ohne jegliche Beschäftigungsmgölichkeit in riesige Hallen gepfercht, ohne Auslauf ins Freie. Was sich qualvoll anhört, ist gemäss Schweizer Tierschutzgesetz erlaubt. Bei dieser grossen Menge an Tieren werden die Schnäbel der Hühner touchiert – ein für das Tier schmerzhaftes Verfahren, bei dem der Oberschnabel ohne Betäubung gekürzt wird. Die Massnahme wird ergriffen, weil es in grossen Gruppen häufig zu Federpicken unter den Hühnern kommt, was sich bis hin zum Kannibalismus steigern kann. Da nur 20 % des Stalles eingestreut werden muss, ist die Pflege individueller Tiere in Ställen mit Tausenden Tieren (beinahe) unmöglich.
Die Legeleistung von Hennen wurde in den vergangenen Jahren durch die Zucht immer weiter erhöht, sodass ein Huhn heute über 300 Eier pro Jahr legt. Mit der Zucht auf hohe Legeleistung wurden als Nebenerscheinungen Verhaltensstörungen wie Federpicken und als Folge davon Kannibalismus selektiert. Insbesondere das Federpicken findet sich bei allen Legehybriden, unabhängig von der Haltungsform. Es wird durch verschiedene Stressfaktoren wie schlechte Luft- und Lichtbedingungen, Haltungs- oder Fütterungsfehler, aber auch Umstallung, Transport und Krankheiten ausgelöst. Es tritt jedoch viel seltener auf, wenn die Hennen genügend Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten haben.
Durch die Hochleistungszucht sind Legehennen auch sehr anfällig für Krankheiten wie Eileiterentzündungen, Gelenkdeformationen, Knochenmarkentzündungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Oft treten auch Knochenbrüche aufgrund von Osteoporose durch Kalziummangel auf. Da die Hennen das Kalzium, das sie für die Produktion der Eierschale benötigen, nicht allein über das Futter aufnehmen können, ziehen sie zusätzliches Kalzium aus den Knochen. Dadurch werden die Knochen immer brüchiger.

- …dass Hühner eine Lebenserwartung von ca. 8 Jahre haben?
- … dass ein Huhn bis zu 80 Artgenossen unterscheiden und wiedererkennen kann?
- … dass an Ostern 20% mehr Eier produziert werden?
- … dass eine halbe Million zusätzliche Hennen benötigt werden, um den höheren Eierbedarf an Ostern zu decken, die danach einfach entsorgt werden, weil die Nachfrage an Eiern wieder sinkt?
- … dass die gesamte Schweizer Eierindustrie zu 100% von vier ausländischen Zuchtbetrieben abhängig ist?