Soll ich meinen Hund kastrieren lassen? Gastbeitrag von Dr. Josef Föhn
Dr. Josef Föhn ist seit über 20 Jahren als Tierarzt in Kleinandelfingen im Zürcher Weinland tätig. Seit vielen Jahren schreibt er regelmässige Gastbeiträge über Tiergesundheit für unser Magazin.
24. März 2021
Diese Frage sollte sich jeder Hundehalter stellen. – Die Kastration des Hundes aus Sicht des Tierarztes und wann der beste Zeitpunkt dafür ist.
Viele Hundebesitzer melden ihren Liebling zur Kastration an, in der Meinung, das mache man einfach und es gehöre dazu. Es ist jedoch auf jeden Fall ratsam, sich über diesen Eingriff – die operative Entfernung der Keimdrüsen (Eierstöcke bzw. Hoden) – Gedanken zu machen.
Das Ziel ist klar, die sexuelle Ruhigstellung mit all ihren Vorteilen
Kein unerwünschter Nachwuchs, keine Scheinträchtigkeiten mit ihren Verhaltensänderungen, keine schlaflosen Nächte wegen des «liebeskranken» Rüden, keine Blutungen während der Läufigkeit, kein lästiges Markieren. Stattdessen ein Hund, der einfacher zu erziehen ist und besser auf den Menschen hört.
Trotzdem sollte der Entscheid gut bedacht werden. Und wenn man sich für die Operation entschieden hat, stellt sich auch noch die Frage nach dem Zeitpunkt der Kastration – vor oder nach der ersten Läufigkeit, vor oder nach der Pubertät? Wird früh kastriert, verringert sich z. B. das Auftreten von Gesäugetumoren im Alter um ein Vielfaches.
In meinen Beratungsgesprächen weise ich stets darauf hin, dass es sich bei der Operation an sich um einen Routineeingriff mit dem immer vorhandenen kleinen Risiko der Narkose handelt. Der Eingriff in den Hormonhaushalt des Hundes durch die Entfernung der Ovarien oder Hoden jedoch ist ein beträchtlicher.
Die seit Langem bekannten negativen Auswirkungen können Inkontinenz (Harnträufeln, vor allem bei grösseren Rassen), Gewichtszunahme infolge reduzierten Grundumsatzes und Veränderungen des Haarkleids (sogenanntes Babyfell bei langhaarigen Hunden) sein.
Auch andere negative Folgen für die Hundegesundheit werden mittlerweile diskutiert, bzw. sind durch breit angelegte Studien belegt: gehäuftes Auftreten von Gelenkserkrankungen, verschiedenen Krebsarten und der Schilddrüsenunterfunktion.
Während bei Katzen die Vorteile einer Kastration bei Weitem überwiegen, vor allem, weil die gesundheitlichen Auswirkungen nach heutigem Kenntnisstand ungleich weniger ausgeprägt sind, lohnt sich für die Hundebesitzer ein sorgfältiges Abwägen und vertieftes Nachdenken über die Notwendigkeit und den Sinn dieser Operation, zumal sie unwiderruflich ist.
Ich stelle meinen Kunden jeweils die Frage, ob sie es sich vorstellen können, zweimal im Jahr während dreier Wochen auf ihre Hündin aufzupassen und ihren emotionalen Ausnahmezustand sowie Blutungen in Kauf zu nehmen. Ich empfehle auch, vor der Operation mindestens eine Läufigkeit abzuwarten – die Hündin wird dadurch reifer und sicherer im Umgang mit ihren Artgenossen. Wenn man eine Operation vermeiden will, gibt es eine Hormonspritze (Gestagene) zur Läufigkeitsunterdrückung. Sie muss alle 5 Monate wiederholt werden. Sie wirkt zuverlässig und muss in der Zwischenbrunstzeit, also in der sexuellen Ruhephase, verabreicht werden. Nachteil ist das gehäufte Auftreten von Gebärmutterveränderungen wie der Pyometra, was wiederum eine Kastration notwendig macht.
Damit die Hundebesitzer sich entscheiden können, ist Aufklärung wichtig
Für geschlechtsreife Rüden, bei denen Aggression gegenüber Geschlechtsgenossen, Schwererziehbarkeit und hypersexuelles Verhalten (nächtelanges Heulen, Fressunlust, Markieren) problematisch sein können, besteht die Möglichkeit der «chemischen Kastration». Es handelt sich dabei um ein Hormonimplantat, das den Testosteronspiegel senkt, zur reversiblen Schrumpfung der Hoden führt und je nach Dosis etwa ein halbes bis ein ganzes Jahr wirkt.
Der Hundebesitzer kann in dieser Zeit abschätzen, ob eine operative Kastration Aussicht auf die erwünschte Verhaltensänderung des Rüden bringt.